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Patria

Patria

Titel: Patria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Berry
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Frau; sie wurde schwanger. Wo kam diese Frau plötzlich her? War es etwa Eva? Seine Mutter? Wenn einem das nicht die Augen öffnet! Der Genesis zufolge lebte Mahalalel achthundertfünfundneunzig Jahre, Jared achthundert Jahre und Enoch dreihundertfünfundsechzig Jahre. Und Abraham soll angeblich hundert Jahre alt gewesen sein, als Sara im Alter von neunzig Jahren Isaak zur Welt brachte.«
    »Das nimmt doch kein Mensch wörtlich«, sagte Pam.
    »Fromme Juden würden das Gegenteil behaupten.«
    »Worauf willst du hinaus, George?«, fragte Malone.
    »Das Alte Testament, wie wir es derzeit kennen, ist aus einem Übersetzungsprozess hervorgegangen. Das Hebräisch des ursprünglichen Textes wurde seit dem fünften Jahrhundert v. Chr. nicht mehr verwendet. Um das Alte Testament zu verstehen, müssen wir also entweder seine traditionelle jüdische Interpretation akzeptieren oder aber uns an modernen Dialekten orientieren, die von der verloren gegangenen hebräischen Ursprache abstammen. Die erste Methode verbietet sich leider für uns, weil die jüdischen Gelehrten, die den Text in der Zeit zwischen fünfhundert und neunhundert nach Christus – also tausend und mehr Jahre nach seiner Entstehung – interpretierten, nicht einmal Althebräisch beherrschten, so dass ihre Textrekonstruktion einem Ratespiel ähnelte. Das Alte Testament, das von vielen als Wort Gottes verehrt wird, ist also nicht mehr als eine zusammengeschusterte Übersetzung.«
    »George, darüber haben wir beide uns schon früher unterhalten, und unzählige Gelehrte debattieren seit etlichen Jahrhunderten über dieses Thema. Das ist doch nichts Neues.«
    Haddad warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu. »Aber ich bin doch noch gar nicht fertig.«

21
Wien
14.45 Uhr

    In Alfred Hermanns Landschloss herrschte normalerweise eine Grabesstille, und nur zu den Zeiten der Ordensversammlung oder wenn die Vorstände zusammenkamen, kam Leben ins Haus.
    Heute war weder das eine noch das andere der Fall.
    Und Alfred Hermann war froh darüber.
    Er hatte sich in seine Privatgemächer zurückgezogen, eine Flucht großer Räume, die im französischen Stil – ohne Korridor – fließend ineinander übergingen. In weniger als zwei Tagen stand die neunundvierzigste Wintervollversammlung bevor, und zu Hermanns Befriedigung würden alle einundsiebzig Mitglieder des Ordens vom Goldenen Vlies daran teilnehmen. Selbst Henrik Thorvaldsen, der sich ursprünglich abgemeldet hatte, hatte nun doch seine Teilnahme zugesagt. Seit dem Frühjahr waren die Mitglieder nicht mehr vollzählig zusammen gewesen, und so würden die in den nächsten Tagen bevorstehenden Gespräche mit Sicherheit anstrengend sein. Als Blauer Stuhl hatte Hermann die Aufgabe, für den effektiven Ablauf der Versammlung zu sorgen. Die Mitarbeiter des Ordens bereiteten inzwischen den Versammlungssaal des Landschlosses vor, und bis zum Eintreffen der Mitglieder am Wochenende würde alles bereit sein. Die Vollversammlung bereitete Hermann keine Sorgen. Nein, all seine Gedanken kreisten um die Aussicht, bald die Bibliothek von Alexandria wiederzufinden, denn davon träumte er seit Jahrzehnten.
    Er ging zur anderen Seite des Raums.
    In dessen nördlicher Ecke stand das Modell, das er vor Jahren in Auftrag gegeben hatte, eine spektakuläre Miniatur, die darstellte, wie die Bibliothek von Alexandria zu Cäsars Zeiten ausgesehen haben mochte. Hermann schob den Stuhl näher heran und saß dann einfach nur da, betrachtete die feinen Details des Modells und ließ die Gedanken schweifen.
    Zwei Säulenkolonnaden dominierten das Bauwerk. Früher mussten zwischen den Säulen Statuen gestanden haben, auf den Böden hatten Teppichläufer gelegen und an den Wänden Bildteppiche gehangen. Auf den vielen Sitzplätzen entlang den Gängen hatten die Mitglieder wild über die Bedeutung eines Wortes oder die Kadenz eines Verses diskutiert, oder sie hatten scharfzüngige Streitgespräche über neue Entdeckungen geführt. An die beiden überdachten Säle links und rechts des Säulenganges schlossen sich Nebenräume an, in denen Papyri und andere Schriftrollen und später auch Kodizes in Behältern und Regalen aufbewahrt wurden oder aber, mit Etiketten versehen, lose gestapelt waren. In anderen Räumen kopierten Schreiber die Originale für den Verkauf. Die Mitglieder bezogen ein hohes Gehalt, das steuerfrei war, und sie erhielten außerdem freie Kost und Logis. Es gab Vortragssäle, Laboratorien, Observatorien und sogar einen Zoo. Nirgends konnten

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