Patria
Inquisition wurden zwölftausend Abschriften des Talmud verbrannt. Das Studium auch nur einer dieser Schriften hätte entscheidend zur Lösung vieler offener Fragen beitragen können.«
»Aber was spielt das alles denn für eine Rolle?«, fragte Pam.
»Es spielt eine riesige Rolle«, erklärte Haddad. »Insbesondere falls es falsch ist.«
»Wie meinst du das?«, fragte Malone, der zunehmend ungeduldig wurde.
»Moses, der das Rote Meer teilt. Der Exodus. Die Genesis. David und Salomon. Seit dem achtzehnten Jahrhundert wühlen die Archäologen das Heilige Land um, um zu beweisen, dass die Bibel historische Tatsachen beschreibt. Und doch wurde nicht das winzigste Fundstück ausgegraben, das eine der Geschichten aus dem Alten Testament belegt. Nehmen wir das zweite Buch Moses, Exodus, das ein gutes Beispiel dafür ist. Angeblich sollen Tausende von Israeliten über die Sinai-Halbinsel gezogen sein. Sie sollen an Stellen gelagert haben, die in der Bibel ausdrücklich genannt werden und die bis heute auffindbar sind. Aber kein einziges Armband und nicht die kleinste Tonscherbe aus jener Zeit, nichts, gar nichts, womit sich die Geschichten des Exodus belegen ließen, wurde gefunden. Auch andere Versuche, den historischen Wahrheitsgehalt biblischer Ereignisse durch archäologische Grabungen zu belegen, erwiesen sich als Fehlanzeige. Kommt dir das nicht merkwürdig vor? Sollte man nicht davon ausgehen, dass Zeugnisse von mindestens einem der im Alten Testament dargestellten Ereignisse im Boden zu finden sind?«
Malone wusste, dass Haddad – wie viele andere Menschen – die Bibel nur so weit akzeptierte, wie sie historisch belegt war. Demnach gestand Haddad der Bibel nur eine sehr begrenzte Wahrhaftigkeit zu. Auch Malone hatte so seine Zweifel an der Bibel. Seine eigene Lektüre hatte ihn zu der Schlussfolgerung geführt, dass jene Vertreter, die die biblischen Geschichten als historischen Tatsachenbericht ansahen, diese Überzeugung eher theologischen als wissenschaftlichen Erwägungen verdankten.
So weit, so gut, aber was sollte das alles?
»George, all das hast du früher schon einmal gesagt, und ich bin ganz deiner Meinung. Aber ich muss wissen, was so wichtig ist, dass dein Leben sich in Gefahr befindet.«
Haddad stand auf und führte Malone und Pam zu den über und über mit Landkarten behängten Wänden. »Seit fünf Jahren sammele ich diese Karten. Einfach war das nicht. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich sogar einige davon stehlen musste.«
»Wo haben Sie sie denn gestohlen?«, fragte Pam.
»Zum größten Teil in Bibliotheken. Dort ist das Kopieren seltener Bücher und Dokumente leider meistens nicht gestattet. Außerdem gehen bei einer Kopie viele Details verloren, und genau darauf kommt es hier an.«
Haddad trat zu der Karte, auf der der moderne Staat Israel abgebildet war. »Als Israel 1948 abgesteckt wurde und die Zionisten den ihnen angeblich zustehenden Teil erhielten, war viel von Gottes Bund mit Abraham die Rede. Von Gottes Versprechen, dass dieser Landstrich« – Haddad drückte den Finger auf die Karte –, »dass genau dieses Land hier Abraham zugedacht war.«
Malone betrachtete die Grenzen.
»Die Tatsache, dass ich Althebräisch beherrsche, hat mir gewisse Einsichten verschafft. Vielleicht mehr als gut war. Vor etwa dreißig Jahren ist mir etwas Interessantes aufgefallen. Aber um diese Offenbarung nachvollziehen zu können, muss man sich erst einmal mit Abraham befassen.«
Abrahams Geschichte war Malone wohlbekannt.
»In der Genesis«, fuhr Haddad fort, »wird von einem Ereignis berichtet, das enorme Auswirkungen auf den Gang der Weltgeschichte hatte. Es könnte sich hier durchaus um den wichtigsten Tag der Menschheitsgeschichte handeln.«
Malone lauschte Haddad, der erzählte, wie Abram von Mesopotamien nach Kanaan gewandert war, ein umherziehender Nomade, der Gottes Gebot treu befolgte. Seine Frau Sarai blieb unfruchtbar und schlug schließlich vor, Abram solle sich mit ihrer Lieblingsmagd verbinden, einer ägyptischen Sklavin namens Hagar, die nach der Abschiebung der Sippe durch den ägyptischen Pharao bei ihnen geblieben war.
»Die Geburt Ismaels, Abrams erstgeborenen Sohn von Hagar, erhält erst im siebten Jahrhundert, als in Arabien eine neue Religion entsteht, ihr entscheidendes Gewicht. Der Islam betritt die Weltbühne. Der Koran bezeichnet Ismael als Apostel und Propheten. Er war seinem Gott eine Freude. Abraham wird in fünfundzwanzig der hundertvierzehn Suren des
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