Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Patterson James

Patterson James

Titel: Patterson James Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todesschwur
Vom Netzwerk:

ich mir auf die Unterlippe, als ich sie nach Hause kommen sah.
Ich glaube nicht, dass sie mich jemals hier bemerkt hatte, und so
wollte ich es weiterhin halten. Die Alternative war so verrückt,
dass ich darüber lieber nicht nachdenken wollte.
Andie DeGrasse sah gut aus. Sie war schick gekleidet und
umklammerte eine große, schwarze Mappe. Rein äußerlich
gesehen, schien sie wiederhergestellt zu sein. Aber ich glaubte
zu wissen, was in ihrem Innern vorging.
Hin und wieder kam ich hier vorbei, wusste aber eigentlich gar
nicht, warum.
Vielleicht gab es mir nur ein gutes Gefühl, weil jemand die
Sache überlebt hatte. Ein paarmal war ich sogar hinaufgegangen
und hatte an ihre Tür geklopft. Ich sagte Hallo, brachte was mit
– Neuigkeiten über die Ermittlungen. Im Grunde genommen
stand ich nur herum, als wäre es ein offizieller Besuch, um
etwas mitzuteilen, was ich nicht in Worte fassen konnte. Es
fühlte sich gut an, mit jemandem in Kontakt zu sein. Seit dem
Prozess ging ich nicht mehr viel auf Leute zu.
Vielleicht machte ich mir wieder selbst etwas vor. Vielleicht
ging es auch nur um Andie DeGrasse. Wie sie ihr Leben nach
dem, was passiert war, wieder auf die Reihe bekam. Darum
beneidete ich sie. Dass sie mir nie eine Schuld gab, obwohl sie
jedes Recht dazu hatte – dass sie mich nie vorwurfsvoll anblickte.
Vielleicht war es einfach das Wissen, dass wir etwas gemeinsam hatten – für uns beide würde das Leben nie wieder so sein
wie vorher. Davon jedenfalls ging ich aus.
So beobachtete ich sie also, wie sie die Treppe zur ihrer Haustür hinaufging und aufschloss. Sie sah im Briefkasten nach und
schob ein paar Umschläge und Zeitschriften unter ihren Arm,
dann verschwand sie aus meinem Blickfeld. Kurz darauf gingen
die Lichter in ihrer Wohnung an. Was mache ich hier? Ihr
hinterher spionieren? Nein, ich wusste, dass es nicht so war.
Schließlich überquerte ich die Straße. Als ein anderer Bewohner herauskam, tat ich so, als suchte ich nach dem Schlüssel,
und rannte zur Tür, bevor sie ins Schloss fiel.
Ihre Wohnung war die Nummer 2B im ersten Stock mit Blick
auf die Straße. Ich ging die Treppe hinauf. Ich erinnerte mich an
den Abend, als wir die Geschworenen ins Motel gebracht hatten.
Einige Sekunden blieb ich vor der Tür stehen. Was würde ich
sagen? Ich hatte schon geklopft, als mich schlagartig das Gefühl
überfiel, vollkommen durchgedreht zu sein.
Rasch eilte ich zur Treppe zurück.
Aber es war zu spät – die Tür wurde geöffnet. Und Andie
blickte mir entgegen.
Dort stand sie – barfuß, in einem taubenblauen Pullover und in
Jeans, in der Hand einen schwarzen Müllbeutel. Sie musste
zweimal hinschauen, bis sie mich erkannte.
Ich versuchte, den Überraschten zu spielen – der ich tatsächlich war. »Ich wollte was abgeben«, und hielt ihr das Buch hin,
das ich mitgebracht hatte. »Ich habe es gerade gelesen und
wollte es Ihnen schenken. Also, ich meine, ich schenke es
Ihnen.«
Die vier Versprechen. Sie zog es aus dem Umschlag. »›Nimm
nichts persönlich‹, ›Sei untadelig in deinen Worten‹. Meine
Schwester hat es mir schon gegeben. Gute Wahl, Agent Pellisante.«
»Ich bin entwicklungsfähig. Und ich bin Nick.« Ich zuckte mit
den Schultern.
»Was sind Sie?«, fragte sie. »Entwicklungsfähig oder Nick?«
Ich lächelte. »Und, wie geht’s?«
»Ich war heute zum Vorsprechen. Eine Cialis-Werbung. Sie
wissen schon – für die Stunde der Wahrheit.«
»Und wie ist’s gelaufen?«
Sie lächelte. »Weiß nicht genau. Ich musste nur wie eine
Vierzigjährige und sexy aussehen. Passt ja ganz gut zu mir,
oder? Aber ich habe den Job gekriegt. Es war das erste Mal
seitdem … muss schließlich die Rechnungen bezahlen.«
Ich warf ihr einen wissenden Blick zu. Manchmal wollte ich
einfach nur meine Arme ausstrecken und sie festhalten in der
Hoffnung, dass sie ihren Kopf eine Weile an meine Brust legen
würde. Ich wollte nur zeigen, dass ich mich um sie kümmerte.
»Ich weiß nicht, für eine Vierzigjährige sehen Sie toll aus.
Ehrlich.«
»Eben wie eine Vierzigjährige.« Sie hob eine Augenbraue und
lächelte mich streng an. »Wenn Sie in acht Jahren wiederkommen, nehme ich Ihnen Ihr Kompliment gerne ab. In der
Zwischenzeit …« Sie lehnte sich gegen den Türrahmen. »Und
wie läuft’s mit dem Unterricht?«
Vor ein paar Monaten hatte ich ihr einen Brief geschrieben,
dass ich das FBI verlassen und wieder angefangen hatte zu
unterrichten. Mit den Händen in den

Weitere Kostenlose Bücher