Patterson James
Taschen zuckte ich nur mit
den Schultern. »Dieselben Höhepunkte wie bei meinem alten
Job erlebe ich da nicht. Aber bisher hat noch niemand auf mich
geschossen.«
Wieder lächelte sie. »Ich stelle Sie jetzt vor die Wahl, Nick:
Entweder Sie nehmen den Müll mit nach unten, wenn Sie gehen,
oder Sie kommen rein, wenn Sie möchten.«
»Würde ich gerne«, sagte ich.
»Was würden Sie gerne?«
Ich blieb stehen, wo ich war. »Sie wissen ja, die Verhandlung
wird wieder aufgenommen. Nächste Woche findet die Auswahl
der Geschworenen statt.«
»Ich habe es in der Zeitung gelesen«, sagte Andie.
»Ich trete immer noch als Zeuge auf. Der Fall ist gut. Diesmal
wird man ihn drankriegen.«
Sie blickte mich mit ihren braunen Augen durchdringend an
und schob die Lippen ein Stück nach vorne. »Um mir das zu
sagen, sind Sie vorbeigekommen?«
»Nein.« Welche Versprechen konnte ich machen, die ich nicht
schon gebrochen hatte? Wir hatten die Männer, die ihren Sohn
getötet hatten, nicht gefunden. Wir hatten nichts in der Hand,
um Cavello dafür verantwortlich zu machen. »Ich dachte, Sie
möchten vielleicht mit mir zur Verhandlung gehen.«
Sie trat einen Schritt zurück. »Ich weiß nicht. Ich weiß nicht,
ob ich diesem Mann schon so nahe sein kann.«
»Ich verstehe.« Ich nahm ihr den Müllbeutel aus der Hand.
Das war vermutlich eine Entscheidung. Sie lächelte, als könnte
sie direkt in mich hineinschauen.
»Immer noch im Dienst der Öffentlichkeit, Nick?«
Ich blickte sie entschuldigend an. »Entwicklungsfähig.«
Sie lächelte.
»Hey, Pellisante«, rief sie mir hinterher, als ich schon die
halbe Treppe nach unten gegangen war. »Das nächste Mal
sollten Sie wirklich reinkommen.«
Am folgenden Morgen saß ich an meinem Schreibtisch. In
meinem Arbeitszimmer. Zu Hause.
Ich tat, was ich an den unterrichtsfreien Tagen immer tat. Was
ich seit fünf Monaten an jedem freien Tag tat: Ich prüfte alle
Informationen, die ich über den Fall finden konnte. Jedes
Dokument. Jedes Fitzelchen an Beweis.
Ich suchte nach einer Möglichkeit, die Busexplosion mit
Dominic Cavello in Verbindung zu bringen.
Wenn jemand mein Arbeitszimmer sehen würde, meinen
chaotischen Schreibtisch, würde er denken, er hätte die Höhle
eines Besessenen, eines krankhaften Spinners betreten. Gütiger
Himmel, überall hingen Fotos. Von der Explosionsstelle. Vom
Bus der Geschworenen. Dicke Ordner mit FBI-Berichten über
die Sprengvorrichtung. Befragungen von Passanten, die eventuell gesehen hatten, wie die beiden Männer in Arbeitskleidung
fortgerannt waren.
Mehr als einmal hatte ich gedacht, ich hätte den Durchbruch
geschafft. Zum Beispiel, als die gestohlenen Nummernschilder
aus New Jersey zu einem Pferdetrainer in Freehold führten, der
Verbindungen zum Lucchese-Klan hatte. Aber das erwies sich
als reiner Zufall. Alle Wege endeten in einer Sackgasse, nichts
ergab eine Verbindung zu Dominic Cavello oder seinen Leuten.
Während ich meinen Kaffee trank und meine Gedanken immer
wieder zu Andie DeGrasse abschweiften, klingelte das Telefon.
Es war Ray Hughes, der Agent, der meinen Platz in der C-10
eingenommen hatte.
»Nick« – er klang ganz glücklich, dass er mich erwischt hatte
–, »hast du etwa zufällig frei?«
Manchmal gingen wir zusammen zum Mittagessen, wobei Ray
mich in der Regel anzapfte. Oder ich ihn. An diesem Tag wollte
er wahrscheinlich nur meine Zeugenaussage für den bevorstehenden Prozess durchgehen. »Es wäre mir zwar nicht recht,
wenn ich meine Lieblings-Serie verpassen würde, aber ich
könnte mich trotzdem aufraffen und zu dir kommen.«
»Nicht zu mir. Ein Jet der Regierung wartet auf uns. In Teterboro.«
Wenn Ray mein Interesse wecken wollte, hatte er es geschafft.
Aber auch das Angebot eines miesen Sandwiches an seinem
Schreibtisch im Javits-Gebäude hätte gereicht.
»Ein Flugzeug, das uns wohin bringt, Ray?«
Der zuständige Leiter der Abteilung Organisiertes Verbrechen
machte eine Pause, bevor er antwortete: »Marion.«
Ruckartig stand ich auf und verschüttete meinen Kaffee über
meine Aufzeichnungen.
Marion war das Bundesgefängnis, in dem Cavello saß.
Etwa vier Stunden später landete die Lockheed der Regierung
auf dem Flughafen in Carbondale in Illinois. Ein Wagen wartete
auf uns, der uns zum Bundesgefängnis von Marion fuhr. Marion
war eine riesige, deprimierend aussehende Festung mitten im
Sumpfgebiet des südlichen Illinois. Es war auch eins der
sichersten Bundesgefängnisse der Vereinigten
Weitere Kostenlose Bücher