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Patterson James

Patterson James

Titel: Patterson James Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Todesschwur
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Unterricht gut dazustehen. Auch nicht um den vierten
Verfassungszusatz oder um Ermittlungsmethoden. Es ging noch
nicht einmal um diese verschlossene, dunkle Ecke des Universums, in die ich mich hatte hineintreiben lassen, um so zu tun,
als begänne ich ein neues Leben.
Nein. Ich drehte die Zeitung auf meinem Schreibtisch um und
starrte auf die Überschrift. Es war genau die, auf die ich die
vergangenen fünf Monate gewartet hatte.
DER PATE, TEIL 2. In dicken, fetten Buchstaben.
Nicht zu Ende gebrachte Angelegenheiten – um das ging es.
Cavellos Prozess sollte in der kommenden Woche wieder
aufgenommen werden.

47
    Sie bemühte sich redlich, wieder gesund zu werden, aber es war
ein hartes und einsames Vorhaben. Und es dauerte. Und war
eigentlich unmöglich. Trotzdem – am Ende des Tunnels
erblickte sie ein kleines Licht.
    Eine Weile war ihre Schwester Rita zu ihr gezogen. Andie
hatte sich einen Milzriss, eine geplatzte Lunge, eine Menge
innerer Blutungen und Verbrennungen an Armen und Beinen
zugezogen. Aber das waren alles Wunden, die verheilten. Weit
schlimmer war der Schmerz, den sie in ihrem Innern mit sich
herumtrug und der jedes Mal wieder aufbrach, wenn sie in
Jarrods Zimmer blickte, das nach seinen Büchern, seinem
Schlafanzug und seinem Kopfkissens roch.
    Dann war da noch die Wut, die sie jeden Tag aufs Neue spürte.
Wut darüber, dass die Mörder ihres Sohnes nie vor Gericht
gestellt wurden. Dass jeder wusste, wer dahinter steckte:
Cavello! Und dieses Schwein wurde nicht dafür bestraft. Sie
träumte sogar davon, ihn in seiner Zelle aufzusuchen und mit
eigenen Händen zu töten.
    Schließlich kam der Tag, an dem sie einige von Jarrods Sachen in Kartons packen konnte, ohne zu weinen. Ohne sich zu
schämen. Sie hatte den Gerichtsmediziner gebeten, ein Stück
von dem Basketballerhemd der Knicks abzuschneiden, das
Jarrod an jenem Tag getragen hatte. Sie verwahrte dieses Stück
Stoff in ihrer Handtasche.
MARBURY 3
    Langsam begann sie, mit den einfachsten Dingen Normalität in
ihr Leben zurückkehren zu lassen. Mit Korrekturlesen. Einem
Kinofilm. Es war, als müsste sie die einzelnen Schritte in ihrem
Leben erst wieder lernen. Indem sie sich sagte, dass sie das
durfte. Dass es in Ordnung war weiterzuleben.
    Mit der Zeit las sie sogar wieder die Zeitung, sah sich die
Nachrichten im Fernsehen an. Lachte über einen Witz in der
Talkshow. Eines Tages schlug sie sogar die Variety auf. Und
wieder ein paar Wochen später rief sie ihren Agenten an.
    Dann, fünf Monate nach dem Vorfall, stand Andie vor der Tür
eines Castingstudios auf der 57th Street West. Ein Auftritt für
eine Cialis-Werbung. Sie brauchte nur wie eine Frau um die
vierzig und ein bisschen sexy zu wirken – na ja, mehr oder
weniger wie sie selbst. Ihr Agent hatte gemeint: Geh hin und
schau einfach, wie’s dir damit geht.
    Noch nie in ihrem Leben hatte Andie solche Angst gehabt wie
vor diesem Besuch im Studio. Es war wie beim ersten Vorsprechen gewesen. Es war alles noch viel zu frisch. Es war nicht
richtig. Es war noch zu früh.
    Eine hübsche Blondine trat hinter ihr aus dem Fahrstuhl und
machte Anstalten, ihr die Tür aufzuhalten.
Andie schüttelte den Kopf. Sie wurde von einer Panikattacke
erfasst. Ihr Brustkorb wurde immer enger. Sie brauchte frische
Luft.
Sie wartete nicht, bis der Fahrstuhl wieder zurückkam, sondern
eilte die Treppe zu Fuß nach unten auf die 57th Street. Sie fühlte
sich ganz wacklig auf den Beinen, als sie dankbar einen tiefen
Atemzug nahm.
Das wird nicht wieder vorbeigehen, Andie. Es wird dich
immer verfolgen. Aber andere Überlebende kriegen das auch auf
die Reihe. Du musst das schaffen! Ein paar Passanten warfen ihr
Blicke zu. Sie kam sich wie eine Wahnsinnige vor – und sah
wahrscheinlich auch so aus.
Sie lehnte sich an die kalte Mauer des Studios, holte noch
einmal tief Luft und griff in ihre Handtasche, nach dem kleinen
Stück Stoff von Jarrods Hemd. Du wirst immer bei mir sein.
Andie ging wieder hinein und fuhr mit dem Fahrstuhl hinauf in
den zweiten Stock. Vor dem Studio blieb sie noch einmal
stehen. Ihre Mappe umklammernd, atmete sie tief durch. Das
war hart. Das war verdammt hart.
Als sie schließlich eintrat, kam eine Frau heraus. Die Enttäuschung auf deren Gesicht war ihr selbst nur allzu vertraut. Doch
entschlossen ging Andie weiter bis zum Empfang.
»Andie DeGrasse. Ich bin zum Vorsprechen hier.«
Im Treppenhaus auf der anderen Seite in der 183rd Street biss

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