Patterson James
warten auf den ballistischen Bericht. Aber es
kommt noch schlimmer.«
»Schlimmer? Was kann denn noch Schlimmeres kommen?«
»Es war noch ein Kind da. Die Polizei fand Denunziattas
einjährige Großnichte in der Küche.«
»Ach, komm schon, Ray.«
»Sie lebt. Aber hör dir das an: Sie hat schwere Brandwunden
an Gesicht und Händen. Von kochendem Wasser, Nick. Was für
einem durchgeknallten Monster jagen wir eigentlich hinterher?
Auf den Latz der Kleinen war eine Nachricht geschrieben. Die
Schriftsachverständigen schauen sich die Sache gerade an.«
Die Wut, die sich in mir aufbaute, brachte mich wieder schier
zum Platzen. »Was steht auf dem Latz?«
»Da steht: ›Ich halte meine Versprechen.‹«
77
Ich kochte förmlich vor Wut. Zu Hause nahm ich die geplante
Dusche. Die ganze Zeit über dachte ich an Ralphies Schwester
und dieses arme, kleine einjährige Mädchen. Als reichten all die
anderen Dinge, die mich nahe an einen Ausbruch brachten, nicht
bereits aus, kam jetzt auch noch dieser Horror dazu. In mein
Handtuch gewickelt, saß ich da und betrachtete die Fotos von
diesem Tier Cavello, die ich an die Küchenwand gehängt hatte.
Die Stapel sinnlos angesammelter Beweise.
Bis ich es nicht mehr aushielt.
Ich zog mich an und holte meinen Saab von der Eleventh
Avenue. Aber ich hatte nicht vor, ins Büro zu fahren.
Richtiges oder »angemessenes« Verhalten war mir ab jetzt
egal.
Ich fuhr durch den Lincoln Tunnel und nahm auf der anderen
Seite des Flusses die Route 3 nach Secaucus in New Jersey.
Secaucus war die »Achselhöhle des Universums« – kilometerweit nur Autoschalter, kastenförmige Einkaufszentren und
Schnellrestaurants, eingezwängt zwischen einem giftigen Sumpf
und der gebührenpflichtigen Schnellstraße.
Nach etwa fünf Kilometern auf der Route 3 hielt ich vor einem
düsteren, zweistöckigen Gebäude aus Schlackenstein, das ich
sehr gut kannte. Vereinigte Arbeiter der Bauelektriker von New
Jersey.
Local 407. Cavellos Laden.
Ich öffnete die Glastür und trat direkt auf die verblüffte Empfangsdame zu, der ich meine FBI-Marke vor die Nase hielt. »Ich
werde zu Frankie Delsavio hinaufgehen.«
Die Dame sprang auf. »Entschuldigen Sie, Sir, Sie können
nicht einfach …«
Ich wartete nicht, bis sie ihren Satz beendet hatte.
Zwei breitschultrige Männer, die dies als Teil ihrer Arbeitsplatzbeschreibung betrachteten, sprangen von ihren Stühlen auf
und stellten sich mir in den Weg.
»Versuch’s erst gar nicht«, drohte ich, als einer von ihnen
seinen Arm ausstreckte. Vielleicht war das Funkeln in meinen
Augen doch etwas zu deutlich. »Kapiert?«
»Mr. Delsavio ist nicht im Haus«, grunzte der Schläger, der
aussah, als wäre er beim Vorsprechtermin für Die Sopranos –
der verdammte Riese durchgerasselt.
Ich hielt ihm meinen Ausweis vors Gesicht. »Ich sage es nur
einmal: Geh mir aus dem Weg.«
Angetrieben von reinem Adrenalin eilte ich die Treppe hinauf.
Wahrscheinlich wussten schon alle im Haus Bescheid. FBIler
platzten hier nicht alleine herein, ohne Verstärkung.
Im ersten Stock befanden sich die Büros der Gewerkschaft.
Cavellos Leute, die gemütlich die Aufträge verteilten, taten
nichts anderes, als Geld einzukassieren. Gefolgt von den beiden
Deppen am Empfang, stürmte ich den Flur entlang. Ein paar
Sekretärinnen hoben verwundert die Köpfe.
Ein anderer Kerl versperrte mir den Weg. Mit Sonnenbrille,
den Kragen seines offenen Hemds über den Polyesteranzug
gestülpt. »’tschuldigung, Sir!« Er schlug seine Jacke zurück und
zeigte mir seine Waffe. Ich wartete nicht, bis er sie zog. Ich zog
meine.
Während ich diesen Ganoven gegen die Wand schob, hielt ich
ihm zuerst die Mündung, dann meinen FBI-Ausweis unter die
Nase. »Hier drauf steht: Ja, ich kann.«
Die Leute hinter ihren Schreibtischen erhoben sich. Die beiden
Schläger aus der Eingangshalle hatten ihre Waffen gezogen.
»Dies ist ein rechtmäßiges, privates Unternehmen«, erklärte
der Kerl an der Wand. »Das Büro unseres Firmenanwalts liegt
am Ende des Flurs. Sie sind ohne Termin oder berechtigte
geschäftliche Absicht hier. Zeigen Sie mir eine Vorladung oder
einen Haftbefehl, Special Agent, oder verschwinden Sie.«
Ich drückte meine Waffe in seine Wange. »Ich habe darum
gebeten, mit Frank Delsavio sprechen zu dürfen.«
»Wie Ihnen bereits gesagt wurde« – und dabei blickte er mir
direkt in die Augen –, »ist Mr. Delsavio nicht im Haus. Sie
können nicht mit ihm sprechen, wenn er nicht hier ist.«
Genau in dem
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