Patterson James
Rover hielten am Tor der estancia. Die getönten
Fenster verhinderten die Sicht. Eine der Wachen am Turm
winkte und sagte etwas zum Fahrer im ersten Wagen.
Ich wusste, dass er da drin saß. Dominic Cavello. Ich spürte es
in meiner Magengrube. Es war das gleiche furchtbare Gefühl,
das ich hatte, als ich Manny und Ed tot am Strand gesehen hatte.
Dann fuhren die Fahrzeuge weiter, das Tal hinab zur Stadt.
»Ich weiß jetzt, wie wir es anstellen werden, Andie«, sagte ich,
behielt aber die beiden Range Rover im Blick, die über die steile
Bergstraße holperten. »Er kommt zu uns, nicht umgekehrt.«
Wir brauchten etwas Geduld. Das hatten wir von Anfang an
gewusst. Zweimal die Woche verließ Cavello seine Ranch,
immer am Mittwoch und Samstag, immer mit den beiden
schwarzen Range Rovern und immer gegen Mittag. Cavello fuhr
im ersten Wagen, während zwei seiner Wachen im zweiten
folgten.
Am Samstag warteten wir am Stadtrand von Ushuaia und
folgten dem kleinen Konvoi ins Zentrum. War dies unsere
Chance?
Cavello kam zum Essen in die Stadt – immer in dieselbe cantina –, anschließend kaufte er sich ein paar Zeitungen und
Zigarren und schob eine Nummer.
Wir hatten von einem Barmann und einer Kellnerin erfahren,
dass der Amerikaner sein Mittagessen in der Bar Ideal einnahm,
einem Café in der Nähe des Hafens. Dort saß er immer an einem
Tisch am Fenster. Manchmal begrabschte er die kleine, heiße,
blonde Kellnerin und flirtete mit ihr. Ein paar Mal hatte man sie
nach ihrer Arbeit gemeinsam in einem Hotel in derselben Straße
verschwinden und nach etwa einer Stunde wieder herauskommen sehen.
Dann ging er wie ein befriedigter Bulle in einen Tabakladen,
der ein paar Häuserblocks auf der Magellanes lag, seine beiden
Leibwächter einige Schritte hinter ihm im Schlepptau. Dort
kaufte er eine Kiste edler Zigarren. Kubanische Cohibas.
Anschließend holte er sich in einem Zeitungsladen die USA
Today und die New York Times. Er schien keine Angst zu haben.
Wer sollte ihn auch erkennen? Hin und wieder setzte er sich in
ein anderes Café, bestellte einen Kaffee, schlug die Zeitung auf
und zündete sich eine Zigarre an. Auf seiner Ranch schien er
wie ein wichtiger Mann von Händlern beliefert zu werden.
Als ich sah, wie er aus dem Wagen stieg, verkrampfte sich
alles in mir. Die Wut und die Qualen von so vielen Morden, für
die er verantwortlich war, drängten sich wieder schmerzhaft in
mein Gedächtnis, doch ich konnte nur still dasitzen und zusehen.
Wie sollte ich es anstellen? Wie konnte ich trotz seiner Leibwächter an ihn herankommen? Wir hatten keinen Köder.
Wie konnte ich mich nähern? Und was würde passieren, wenn
ich es tat?
An diesem Abend aßen wir in einem kleinen Café außerhalb
der Stadt. Andie wirkte ausgesprochen wortkarg. Irgendetwas
bedrückte sie – ebenso wie mich. Wir waren Cavello so nahe,
und er lebte hier als freier Mann. Schließlich blickte sie mich an.
»Wie werden wir die Sache hier durchziehen?«
Ich nahm einen Schluck von meinem chilenischen Bier. »Er
wird gut bewacht. Ich weiß nicht, wie ich an ihn rankommen
soll.«
Andie stellte ihr Bier ab. »Hör mal, Nick, wie wär’s, wenn ich
das täte?«
Andie hatte sich die Sache schon eine Weile durch den Kopf
gehen lassen, hatte Cavello lange genug beobachtet, um es zu wissen. Schon im Gerichtssaal hatte sie dieses Gefühl gehabt,
schon damals gewusst, wie sie sich ihm nähern könnte, sollte
dies einmal nötig sein. So wie jetzt.
»Ich bin Schauspielerin, weißt du noch?«
Sie und Nick arbeiteten einen groben Plan aus.
Sie musste dafür sorgen, dass Cavello sie nicht erkannte, doch
er hatte sie nur während der Gerichtsverhandlung gesehen – mit
langem Haar, das von einer Spange im Nacken zusammengehalten war. Also besorgte sie sich in der Apotheke ein Mittel, um es
blond zu färben. Anschließend flocht sie es wie die Indianerinnen zu Zöpfen und setzte eine Baseballkappe auf. Mit etwas
Lippenstift und einer Sonnenbrille war selbst sie überrascht.
»Was denkst du?«
»Ich denke, wir sollten der Reihe nach vorgehen. Aber die
Verkleidung ist gut.«
Es ging nicht mehr darum, eine Rolle zu spielen. Das hier war
echt. Es ging um Leben und Tod.
Sie suchten einen Platz, an dem sie ihn ködern konnten. Aber
weil die Leibwächter ständig in Cavellos Nähe waren, musste
Nick schnell eingreifen können. Immerhin bestand auch die
Möglichkeit, dass er zu spät kam. Dann würde Andie wahrscheinlich sterben. Und er auch.
Nick
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