Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
gefällt, die letztendlich nur ich treffen konnte. Ich werde sie Ihnen heute Morgen mitteilen, da diese Entscheidung nicht nur Sally und mich, sondern Sie alle betrifft.«
Wieder ließ Präsident Byrnes die Blicke rasch durch den Raum schweifen. Ich wusste nicht, wohin das alles führen würde, aber der Vorgang als solcher faszinierte mich. Der Präsident führte uns einen Schritt voran und überprüfte, ob wir ihm folgten. Er erteilte uns eindeutig einen Befehl, formulierte ihn aber so, als würde er immer noch nach einem gewissen Konsens suchen.
»Wir müssen einfach zum üblichen Tagesablauf im Weißen Haus zurückkehren. Das müssen wir. Die Vereinigten Staaten können nicht aufgrund irgendwelcher tatsächlichen oder imaginären Gefahren und Drohungen als Geisel dienen. Das ist meine Entscheidung, und sie wird ab heute Abend in Kraft treten. Wir müssen weitermachen und unsere Programme vorantreiben.«
Als der Präsident uns seine Entscheidung mitteilte, entstand eine gewisse Unruhe im Raum. Ann Roper stöhnte laut. Don Hamerman ließ den Kopf tief hängen, fast bis auf die Knie. Meine Blicke blieben auf den Präsidenten gerichtet.
»Ich verstehe durchaus, dass diese Entscheidung Ihre Arbeit schwieriger macht – das ist die Untertreibung des Jahres. Wie zum Teufel können Sie mich schützen, wenn ich nicht kooperiere und Ihren Empfehlungen folge, nicht wahr? Nun, ich kann nicht mehr kooperieren. Nicht, wenn dies bedeutet, der Welt die Botschaft zu vermitteln, dass ein paar Psychopathen unsere Regierung lahm legen oder gar verändern können. Denn genau das geschieht jetzt . Es ist schon geschehen, meine Damen und Herren. Ab morgen gilt für mich wieder der reguläre Terminplan. Ich wünsche keine weitere Debatte über dieses Thema. Tut mir Leid, Don.«
Er blickte seinen Stabschef an, dessen Rat er damit offiziell zurückwies.
»Ich habe ferner beschlossen, am Dienstag meine geplante Reise nach New York City zu machen. Tut mir Leid, Don und Jay. Ich wünsche uns allen das Beste und hoffe, dass Sie sehr bald Erfolg haben. Bitte, tun Sie Ihre Arbeit, und ich tue meine. Wir werden rein gar nichts bedauern , ganz gleich, was von nun an geschieht. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
»Ja, Sir.« Alle nickten zustimmend. Alle Augen waren auf den Präsidenten gerichtet, meine eingeschlossen. Präsident Byrnes’ Rede war leidenschaftlich und beeindruckend zugleich gewesen.
Rein gar nichts bedauern. Stumm wiederholte ich die Worte. Ich war sicher, dass ich sie für den Rest meines Lebens nicht vergessen würde, ganz gleich, was passieren würde, ganz gleich, was Jack und Jill von jetzt an geplant hatten.
Thomas Byrnes hatte soeben sein Leben in die Waagschale geworfen. Aufs Spiel gesetzt.
Der Präsident hatte sein Leben in unsere Hände gelegt.
»Übrigens, Don, schicken Sie jemanden los, um mir einen Hund zu besorgen«, sagte Präsident Byrnes zu Hamerman, als die Besprechung endete. »Ich glaube, ich brauche einen Freund.«
Wir alle lachten, auch wenn uns nicht so recht danach zu Mute war.
74.
In dieser Nacht fielen in Washington knapp drei Zentimeter Schnee. Die Temperatur sank weit unter den Gefrierpunkt. Als der Truth-Schulmörder aufwachte, hatte er Angst. Er fühlte sich sehr allein – und wie in der Falle . Eigentlich war er schrecklich traurig.
Keine Spur von happy, happy. Joy, joy.
Er war von kaltem Schweiß bedeckt, der ihn völlig umhüllte. Jetzt erinnerte er sich, dass er einmal im Traum Menschen ermordet und die Leichen im Landhaus seiner Großeltern in Leesburg unter einem Kamin aus Natursteinen vergraben hatte. Diesen Traum hatte er schon jahrelang, solange er sich erinnern konnte – schon immer, seit er ein Kind gewesen war .
Aber es war nur ein Traum– oder habe ich tatsächlich diese scheußlichen Morde begangen?, fragte er sich, als er die Augen aufschlug. Für einen Moment wusste er nicht, wo er sich befand. Wo zum Teufel bin ich?
Dann fiel ihm wieder ein, wo er war, wohin er gegangen war, um nachts zu schlafen. Da blieb einem doch der Verstand stehen! Was für eine coole Idee von ihm!
Der Song, sein Song, dröhnte in seinem Kopf:
Ich bin ein Verlierer, Baby. Warum tötest du mich nicht?
Dieses Versteck war echt cool. Oder war es zu leichtsinnig, zu sorglos?
Er war in seinem eigenen Haus, im zweiten Stock.
Er klammerte sich an den Gedanken, dass er für den Augenblick in Sicherheit war. Mann, ihm gefiel die Macht dieses Gedankens.
Er hatte die totale Kontrolle. Er war die
Weitere Kostenlose Bücher