Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
Mister Weichei kehrte wieder. Immer jeden Scheißschritt drei Mal überdenken, bevor man ihn tat – und nachdem man ihn getan hatte.
»PENG!«, brüllte er, so laut er konnte.
»PENG!«, brüllte er das Wort noch einmal.
»PENG!«
»PENG!«
»PENG!«
»PENG!«
»PENG!«
»PENG!«
»PENG!«
»PENG!«
»PENG!«
»PENG!«
Mit jedem markerschütternden Schrei drückte er auf den Abzug der Smith & Wesson. Noch eine 9-mm-Kugel in die beiden schlafenden Gestalten. Zwölf Schuss! Wenn er richtig gezählt hatte, und er zählte alles ganz genau. Zwölf Schuss! Genau wie José und Kitty Menendez sie in den Balg bekommen hatten.
Letztendlich zahlt sich die militärische Ausbildung in Roosevelt doch aus, dachte er unwillkürlich. Seine Lehrer hatten doch Recht gehabt. Colonel Wilson von der Akademie wäre stolz auf seine Schießkünste gewesen – aber weit mehr noch auf die Entschlusskraft, auf diesen sehr einfachen und klaren Plan und den extremen Mut, den er heute Nacht gezeigt hatte.
Seine Pflegeeltern waren durch sein Feuer vernichtet, völlig ausgelöscht, beinahe aufgelöst. Er fühlte nichts – höchstens Stolz auf das, was er getan hatte, auf sein Können.
Niemand war hier. Niemand hat das getan, Mann.
Das schrieb er in ihr Blut.
Dann lief er hinaus, um im Schnee zu spielen. Er verteilte Blut auf der Veranda, im Garten, überall. Das konnte er, weißt du. Er konnte alles machen, was er wollte. Keiner konnte ihn jetzt aufhalten. Niemand.
76.
Noch ein ermordetes Kind wurde entdeckt. Ein Junge. Vor weniger als einer Stunde.
John Sampson erhielt die Meldung gegen sieben Uhr abends. Er konnte es nicht glauben. Er konnte nicht akzeptieren, würde nicht akzeptieren, was man ihm soeben mitgeteilt hatte. Freitag der Dreizehnte. War das Datum absichtlich gewählt?
Im Garfield Park war wieder ein Kind ermordet worden. Zumindest hatte jemand die Leiche dort zurückgelassen. Er wollte Sumner Moore zu fassen kriegen – und zwar jetzt.
Sampson parkte an der Sechsten Straße und ging das kurze Stück bis in den menschenleeren und düsteren Park. Das wird schlimm, ging es ihm durch den Kopf, als er in Richtung der rot und gelb blitzenden Lichter der Notarztfahrzeuge schritt.
»Ich bin Detective Sampson. Lassen Sie mich durch«, sagte er, als er sich den Weg in den Kreis uniformierter Polizisten bahnte.
Einer der Beamten hielt einen kläffenden grauweißen Mischlingshund an der Leine. Das war ein gespenstisches Bild an diesem gespenstischen Tatort. »Was ist mit dem Hund?«, fragte Sampson den Mann. »Wem gehört er?«
»Der Hund hat die Leiche des Opfers entdeckt. Der Besitzer hatte ihn frei laufen lassen, nachdem er von der Arbeit nach Hause gekommen war. Jemand hat das tote Kind mit Zweigen bedeckt. Aber sehr... schlampig. Als wollte er, dass man die Leiche findet.«
Ein Polizeifotograf machte Bilder von der Leiche. Die grellen Lichtblitze der Kamera zeichneten sich dramatisch gegen die Schneedecke ab.
Über Mund und Nase des Jungen war silbernes Isolierband geklebt. Sampson holte tief Luft, ehe er sich neben der Gerichtsmedizinerin hinunterbeugte. Er kannte die Frau. Sie hieß
Esther Lee.
»Wie lange ist er schon tot? Was meinen Sie?«, fragte
Sampson die Ärztin.
»Schwer zu sagen. Vielleicht sechsunddreißig Stunden. Das
kalte Wetter verlangsamt den Verwesungsprozess. Der Junge
wurde brutal zusammengeschlagen. Bleirohr, Schraubenschlüssel, irgendein schwerer Gegenstand. Er hat sich gegen den
Mörder gewehrt, hat gekämpft. Sehen Sie die blauen Flecken
auf beiden Händen und Armen? Mein Gott, tut der arme kleine
Kerl mir Leid.«
»Ich weiß, Esther, mir auch.«
Soweit Sampson sehen konnte, war der Hals des Jungen verfärbt und grässlich aufgedunsen. Winzige schwarze Käfer krochen den Haaransatz entlang. Maden marschierten in einer
dünnen Linie aus dem gespaltenen Schädel über dem rechten
Ohr.
Sampson verzog das Gesicht und zwang sich, auf die andere
Seite der Leiche des Jungen zu gehen. Niemand, nicht einmal
Alex wusste, dass Mount John mit diesem Teil der Arbeit bei
der Mordkommission einfach nicht fertig wurde. Tot bei Auffindung. Leichen in Verwesung.
»Das wird Ihnen nicht gefallen«, sagte Esther Lee, ehe
Sampson hinschaute. »Ich warne Sie.«
»Weiß schon«, meinte er mürrisch und blies den warmen
Atem in die Hände, aber das half auch nicht viel.
Dann konnte er das Gesicht des Jungen sehen. Er konnte es
sehen – aber er konnte es nicht fassen. Und es gefiel ihm nicht.
Ganz und
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