Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
war. »Haben Sie in dieser Gegend auch gelernt, die Pistole zu benutzen?«, fragte ich.
»Nein, im Remington Guns Club draußen in Fairfax. Mein Mann hat sich Sorgen gemacht – das tut er immer noch –, weil ich hier arbeite. Ihr Männer scheint alle das Gleiche zu denken. Tut mir Leid, ja, tut mir Leid .« Sie lächelte wieder. »Ich versuche stets, meine Zunge zu zügeln, wenn ich so abscheulich sexistische Dinge sage. Eigentlich mag ich das nicht. Nein, wirklich nicht. Ich entschuldige mich.«
Sie stand auf und schaltete den Laptop auf dem Schreibtisch aus. »Ich begleite Sie zum Eingang, damit Sie sicher hinauskommen. Schließlich ist es schon weit nach vier Uhr.«
»Gute Idee.« Ich ging auf ihren kleinen Scherz ein. Auf alle Fälle hatte sie mich zum Lächeln gebracht. Wenn ich an die letzten Tage dachte, war das ganz beachtlich. »Sind Sie immer so gut drauf? So locker?«
Wieder legte sie den Kopf schief. Das tat sie oft. Dann nickte sie selbstsicher. »Immer. Mindestens so gut drauf. Für mich standen zwei Berufe zur Wahl: Komödiantin oder Pädagogin. Wie man sieht, habe ich mich für die Komödiantin entschieden. Da gibt es mehr zu lachen. Aufrichtiges Lachen. Meistens jedenfalls.«
Wir gingen über die verlassenen Korridore der Schule. Unsere Schritte hallten laut wider. Mir schwirrte das Lied, das sie gesummt hatte, im Kopf herum. Ich hätte ihr gern noch viele Fragen gestellt, aber ich wusste, dass ich einige nicht stellen sollte. Sie hatten nichts mit dem Mordfall zu tun.
Als wir zur Eingangstür kamen, stand dort ein vierschrötiger Sicherheitsmann mittleren Alters, der mich durchließ. Ich war verblüfft. Beim Hereinkommen hatte ich den Mann gar nicht gesehen.
Er hielt einen dicken hölzernen Schlagstock und ein WalkieTalkie in den Händen. Dieser Anblick war mir von den meisten Schulen in Washington nur allzu vertraut. Sicherheitsleute, Metalldetektoren, Stahlnetze über jedem Fenster. Kein Wunder, dass die Leute in der Gegend sämtliche etablierten Einrichtungen hassten – sogar die eigenen Schulen.
»Gute Nacht, Sir«, sagte der Wachmann mit sehr freundlichem Lächeln. »Gehen Sie auch bald, Mrs. Johnson?«
»Bald«, sagte sie. »Wenn Sie wollen, können Sie nach Hause, Lionel. Im Büro steht meine Zimmerflak.«
Lionel lachte über ihren Scherz. Sie brachte die Pointen stets zum rechten Zeitpunkt. Ich wette, sie hätte auf Anhieb einen Saal zum Lachen bringen können.
»Gute Nacht, Mrs. Johnson«, sagte ich. Ich konnte nicht anders, ich musste hinzufügen: »Bitte, seien Sie vorsichtig, bis der Fall abgeschlossen ist.«
Sie stand vor der schweren Holztür. Sie sah sehr weise aus – und sehr attraktiv.
»Sagen Sie Christine zu mir«, sagte sie. »Und ich werde vorsichtig sein. Ich versprech’s. Danke, dass Sie vorbeigekommen sind.«
Christine!
28.
In diesem gefährlichen Zeitalter muss jeder denken: Mir passiert das schon nicht. Nicht mir! Wie stehen die Chancen, dass es mir tatsächlich passiert?
Michael Robinson, der Filmschauspieler, hielt es für absurd, dass er sich wegen der irren Mörder, die in Washington frei herumliefen, Sorgen machen oder gar ängstigen sollte. Was hatten die schrecklichen Drohungen Jack und Jills mit ihm zu tun? Für Robinson war die Antwort klar: rein gar nichts.
Trotzdem war er ein bisschen nervös. Doch er bemühte sich, den Adrenalinstoß zu genießen und sich den üblen Befindlichkeiten der Zeit hinzugeben, in der wir leben.
Kurz vor Mitternacht nahm der Hollywoodstar allen Mut zusammen und bestellte beim VIP-Escort-Service eine »Begleitung«. Einen »Snack« vor dem Schlafengehen. Er hatte diesen Dienst schon oft in Anspruch genommen, wenn er in Washington war. Diese diskrete und sehr teure Agentur für käuflichen Sex hatte alle Wünsche Robinsons in der Kartei unter »M. R.« vermerkt – als Teil der umfassenden Betreuung durch seinen Agenten in Los Angeles.
Nachdem der neunundvierzigjährige Schauspieler den Anruf gemacht hatte, versuchte er ein Drehbuch für einen romantischen, kostspieligen Abenteuerfilm zu lesen, das er angefordert hatte. Doch kurz darauf stand er bereits auf und trat ans Fenster der Penthouse-Suite des Willard Hotels an der Pennsylvania Avenue. Er dachte an seinen »Snack«. Seinen Fans würde es verdammt sauer aufstoßen, wenn sie wüssten, dass er für Liebe zahlte. Aber das war deren Problem, nicht seins.
In Wahrheit fand er es auf Reisen viel unkomplizierter und weit weniger belastend für die Psyche, einer
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