Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne
vielen entsetzten Gesichter in dieser stürmischen menschlichen See.
O ja, er konnte sehr verängstigt dreinschauen. Er wusste besser als die meisten Menschen, wie Angst aussah. Sehr oft hatte er panische Angst auf vielen Gesichtern fotografiert. Häufig sah er in seinen Träumen diese grauenvollen verängstigten Blicke, diese stummen Schreie.
Er unterdrückte ein grimmiges Lächeln, als er in den Korridor D einbog und zu seinem Flugzeug eilte. An diesem Abend flog er nach Washington, D.C. Er hoffte, das Attentat würde den Abflug nicht allzu sehr verzögern.
Er hatte dieses Risiko eingehen müssen. Es war eine Probe gewesen, die letzte Generalprobe .
Jetzt auf zu wichtigeren Dingen. Der Fotoreporter hatte in Washington einen sehr wichtigen Job zu erledigen. Den Codenamen konnte er sich leicht merken.
Jack und Jill.
35.
Auf dem siebeneinhalb Hektar großen Gelände um das Weiße Haus gibt es viele Unterhaltungsmöglichkeiten: ein Privatkino, Turnhalle, Weinkeller, Tennisplätze, Bowlingbahnen, Gewächshäuser auf den Dächern und auf dem Südrasen ein Golfplatz. Der Wert des Hauses und des Grundstücks werden vom District of Columbia zurzeit auf dreihundertvierzig Millionen Dollar geschätzt.« Ich hätte beinahe selbst die Tour führen können.
Ich zeigte meinen Ausweis auf Zeit und fuhr dann vorsichtig in die Tiefgarage unter dem Weißen Haus. Unterwegs waren mir einige Renovierungsarbeiten am Gebäude und die veränderten Gartenanlagen aufgefallen, doch im Großen und Ganzen herrschte Ordnung am Weißen Haus.
Was man von mir nicht behaupten konnte. Ein flaues Gefühl im Magen. Der Kopf angefüllt mit wirren Gedanken. Ich hatte in der vergangenen Nacht nur wenige Stunden geschlafen; das wurde langsam zur Regel. Die Morgenausgaben der Washington Post und der New York Times lagen zusammengefaltet neben mir auf dem Beifahrersitz.
Die Schlagzeile der Post lautete: WER IST DAS NÄCHSTE OPFER VON JACK UND JILL? Die Frage schien an mich gerichtet zu sein. WER IST DER NÄCHSTE?
Ich dachte über einen möglichen Anschlag auf Präsident Byrnes nach, als ich von der kleinen Garage zum Aufzug ging. Viele Menschen waren vom Präsidenten und seiner Politik sehr angetan. Die Amerikaner hatten schon seit langem nach einem Wechsel gerufen, einem Wandel, und den bekamen sie von Präsident Byrnes in großen Dosen verabreicht. Selbstverständlich verbanden die meisten Leute mit einem »Wechsel« den Wunsch nach mehr Geld, und zwar sofort und ohne irgendein Opfer von ihrer Seite.
Wer also könnte wütend und verrückt genug sein, den Mord am Präsidenten zu wünschen? Mir war klar, dass ein Anschlag deshalb im Weißen Haus erfolgen würde. Ich war hier, um einen Mord zu untersuchen, der noch gar nicht begangen worden war. Einen Mord im Weißen Haus. Eine Suche nach einem Killerpaar, das die Ermordung des Präsidenten planen könnte.
Ich traf Don Hamerman in der Eingangshalle des Westflügels. Er war immer noch nervös und extrem angespannt. Das schien ein Wesenszug von ihm zu sein. Es passte auch in diese Zeit. Auf dem Korridor unterhielt sich der Stabschef ein paar Minuten mit mir. Er gab sich alle Mühe, mir zu versichern, dass ich »speziell« für diese Ermittlungen ausgesucht worden sei, weil ich ein Experte für außergewöhnlich intelligente Killer sei, besonders für Psychopathen.
Er schien verdammt viel über mich zu wissen. Während er sprach, stellte ich mir vor, wie er wohl im letzten Studienjahr in Yale oder Harvard die Auszeichnung für den besten Schnüffler erhalten hatte. Wahrscheinlich hatte er dort auch gelernt, mit seinem näselnden Upper-Class-Akzent zu sprechen.
Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, womit ich an diesem Morgen rechnen musste. Hamerman sagte, er würde mehrere »Interviews« für mich organisieren. Ich spürte, dass es ihm ganz und gar nicht passte, innerhalb des Weißen Hauses derartige Ermittlungen in die Wege leiten zu müssen. Ermittlungen in einem Mordfall.
Hamerman ließ mich allein im Kartenraum im Erdgeschoss. Ich schlenderte in dem berühmten Zimmer umher und betrachtete die reich geschnitzten Chippendale-Möbel, ein Ölporträt Ben Franklins und eine Landschaft mit dem Titel Hüten von Kühen und Schafen . Mein Tag war bereits ziemlich verplant. Ich hatte einen Termin im Leichenschauhaus mit Benjamin Levitsky, der Nummer zwei der Geheimdienstabteilung des FBI.
Und immer noch gingen mir die Kindermorde an der Truth School nicht aus dem Kopf. Im Augenblick kümmerte sich Sampson
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