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Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne

Titel: Patterson, James - Alex Cross 03 - Sonne, Mord und Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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Rand des Spielfeldes.
    Kevin Hawkins saß auf einem Schalensessel aus grauem Plastik vor Flugsteig 31. Zufrieden spielte er eine Partie Computerschach. Er gewann. Er verlor. Es machte ihm Spaß, ganz gleich, wie es kam.
    Hawkins liebte Schach und näherte sich in der Spielstärke den besseren Turnierspielern. Er liebte Spiele. So war es immer schon gewesen, seit er in Hudson, New York, ein aufgeweckter, aber einsamer und zurückhaltender kleiner Junge gewesen war. Um Viertel vor elf stand er auf, um ein anderes Spiel zu spielen. Das Spiel, das ihm das liebste auf der Welt war. Er war in San Francisco, um jemanden zu töten.
    Während er durch den belebten Flughafen ging, machte Kevin Hawkins einen Schnappschuss nach dem anderen – alle in Gedanken .
    Der preisgekrönte Fotoreporter trug seine üblichen einstudiert lässigen Klamotten: hautenge Kordjeans mit schwarzem T-Shirt, afrikanische Armbänder von mehreren Reisen nach Sambia und einen Brillanten im Ohr. Um den Hals hing die Leica an einem Lederriemen, der mit Ritzungen verziert war.
    Der Fotoreporter schob sich in eine voll besetzte Toilette auf Korridor C. Er betrachtete die Männerreihe vor den Urinbekken. Wie Schweine vor dem Trog, dachte er. Wie Wasserbüffel oder Stiere, denen man beigebracht hat, auf den Hinterläufen zu stehen.
    Seine Augen wählten den besten Ausschnitt und – Aufnahme . Die Schönheit von Ordnung und Verschlagenheit. Typen am Trog.
    Die Szene im Pissoir erinnerte ihn an einen geschickten Taschendieb, den er in Bangkok gesehen hatte. Der Dieb, ein eifriger Student der menschlichen Natur, klaute den Männern das Portemonnaie, während sie sich am Urinal erleichterten und nicht in der Lage waren – beziehungsweise sich genierten –, den Dieb zu verfolgen.
    Der Fotoreporter musste immer an dieses komische Bild denken, wenn er auf einem Flughafen eine Toilette betrat. Er vergaß überhaupt nur selten ein Bild. Sein Verstand war ein gut sortiertes Archiv, eine Konkurrenz zu Kodaks riesigen Lagerhallen voller Fotos in Rochester.
    Er musterte sein eigenes Bild in einem der leicht trüben Toilettenspiegel. Ein eher hageres, teigblasses Gesicht. Wenig beeindruckend, in jeder Hinsicht, dachte er unwillkürlich. Seine Augen waren kriegsmüde und von einem beinahe verwaschenen Blau. Sich in die eigenen Augen zu schauen deprimierte ihn so sehr, dass er seufzen musste.
    Er sah keine weiteren Bilder im Spiegel, die er mit dem Verstand aufnehmen wollte. Am wenigsten ein Foto von sich selbst.
    Er musste husten, konnte nicht aufhören. Schließlich spuckte er einen dicken Klumpen gelblichen Schleims aus. Mein innerster Kern, dachte er. Langsam strömte seine Lebenskraft aus ihm heraus.
    Kevin Hawkins war erst dreiundvierzig, kam sich aber wie hundert vor. Er hatte zu intensiv gelebt, besonders während der letzten vierzehn Jahre. Sein Leben und die Zeiten waren extrem gewesen, oft extravagant, gelegentlich auch absurd. Oft stellte er sich vor, dass er wie eine Bombe war, bei der nicht nur Lunte brannte, sondern die rundum in Flammen stand. Er hatte das Spiel von Leben und Tod zu intensiv, zu gut und zu oft gespielt.
    Wieder begann er zu husten. Rasch schob er sich ein Bonbon in den Mund. Dann checkte Kevin Hawkins die Zeit auf seiner Seiko-Kinetic-Uhr. Schnell fuhr er sich mit den Fingern durchs strähnige blonde Haar. Dann verließ er die Toilette.
    Problemlos mischte er sich in den Menschenstrom, der träge über den Nordkorridor floss. Die Zeit war fast gekommen, und er spürte wieder das angenehme Kribbeln, so als verließe er seinen Körper. Er summte den alten, vollkommen schwachsinnigen Schlager »Rock the Casbah« vor sich hin. Er zog einen dunklen Delsey-Koffer auf einem dieser billigen Rollgestelle hinter sich her, die jetzt so beliebt waren. Mit dem »laufenden« Koffer sah er wie ein Tourist aus, wie ein Niemand erster Klasse.
    Die Digitaluhr mit der roten Anzeige auf schwarzem Hintergrund über dem Flugsteig zeigte elf Uhr vierzig an. Ein Jet der Northwest Airlines aus Tokio war vor wenigen Minuten gelandet. Genau vor Flugsteig 41 und genau nach Flugplan. Manche Menschen verstehen es eben zu fliegen. War dies das Ende der Schlange für die Northwest-Linie?
    Die Götter lächelten auf ihn herab. Kevin Hawkins spürte, wie auch er verbissen und humorlos lächelte. Die Götter liebten das Spiel ebenfalls. Leben und Tod. Eigentlich war es ja ihr Spiel.
    Er hörte die ersten lauten Geräusche der Menschen aus dem Verbindungskorridor B. Der

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