Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Landvik
Vom Netzwerk:
ihre Schenkel. »Ach ja. Ich wollte Ihnen erzählen, wie sehr ich es genossen habe, Ihren Salon de beauté zu besuchen – während Thor draußen im Wagen saß und geschlafen hat. Das hat mich so richtig amüsiert, besonders weil es genau der Tag war, an dem Sie mich so hochnäsig rausgeworfen haben.«
    Patty Jane stöhnte nur.
    Â»Tja, also, wenn ich mich recht erinnere, haben wir in diesem Sommer unsere erste Reise gemacht – Patty Jane, Sie haben damals Ihren ersten Brief bekommen –, aber als dann Thors Bild überall auf den Mighty–Bites–Kartons erschien, hab ich mir gedacht, es wäre besser, eine Weile in der Versenkung zu verschwinden. Thor, mein kleiner Reklameheld, war ganz zufrieden damit, im Haus zu bleiben. Damals fing er an, kleine Häuschen zu bauen, mit allem, was ihm unter die Finger kam – Salzstreuer, Schachteln, Kartons, Zahnstocher. Schließlich hab ich ihn in die Werkstatt meines Vaters im Keller verfrachtet, und ...« Sie sah Clyde Chuka und Harriet an. »Sie haben das Resultat ja gesehen.
    Als ungefähr zwei Jahre vergangen waren, hab ich mich schließlich auch hier am Ort mit Thor aus dem Haus gewagt. Ich habe ihm das Haar gefärbt – Schwarz steht ihm, finden Sie nicht? –, und wir begannen, ein halbwegs normales Leben zu führen. So normal, wie zwei unnormale Menschen es eben führen können, richtig, Schatz?« Sie blies dem schnarchenden Thor einen Kuß zu. »Das ist meine Geschichte«, schloß sie und stand auf, um sich zu verneigen. »In aller Kürze, aber im wesentlichen vollständig.«
    Harriet blies dicke Rauchringe zur Decke hinauf; Iones Gesicht war tränenüberströmt. Clyde Chuka massierte Patty Jane die Schultern. Thor schnarchte, und Nora, die während Temple Churrys Monolog still dagesessen und kein Wort gesagt hatte, sprang plötzlich auf – aber es war zu spät. Sie krümmte sich über den Couchtisch und übergab sich in die Glasschale mit der Nußmischung.

23
    Â» ES ist reine Spekulation«, sagte der Arzt, während er die Gläser seiner Brille mit einem Zipfel seines weißen Kittels polierte. »Gewiß, es ist möglich, daß Mr. Rolvaag bei unverzüglicher Behandlung viele, vielleicht sogar alle seine kognitiven Fähigkeiten wiedergewonnen hätte; aber vielleicht eben auch nicht. Bei Kopftraumata sind genaue Prognosen sehr schwierig.«
    Ione fummelte unaufhörlich am Verschluß ihrer Handtasche, und Patty Jane rutschte ungeduldig auf ihrem Stuhl hin und her. Sie hatten diesen Vortrag bereits mehrmals gehört.
    Dr. Lumley war der dritte Arzt, den sie in dieser Woche mit Thor aufgesucht hatten. Es war keineswegs so, daß Patty Jane ein Wunder erwartete, etwa glaubte, man brauche ihm lediglich eine Spritze zu geben und er würde wieder in der Lage sein, ein vernünftiges Gespräch zu fuhren; sie wollte einfach etwas Konkretes hören, wie etwa: Ja, 42,8 Prozent des rationalen Denkens werden bei schweren Gehirnerschütterungen ausgelöscht – irgendeine klare und einfache Diagnose, die dem ewigen »wenn nur« ein Ende bereiten würde, das in ihrem Kopf herumflatterte wie eine Motte gegen die Fensterscheibe.
    Â»Danke, daß Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte Patty Jane und zog Thor an der Hand hoch. Thor sah sie verständnislos an.
    Â»Tut mir leid«, sagte Dr. Lumley.
    Â»Tja, uns auch«, meinte Patty Jane, als sie Thor zur Tür führte.
    Am Morgen nach Thors Heimkehr war die Stimmung im Haus gedämpft gewesen. Alle sprachen mit gesenkter Stimme und bewegten sich so leise, als hätten sie sich zu einer Beerdigung versammelt, was ja, wie Patty Jane zu Clyde Chuka sagte, in gewisser Weise auch stimmte.
    An jenem ersten Abend waren Patty Jane und Clyde Chuka lange aufgeblieben und hatten immer wieder frische Scheite auf das Feuer im Kamin gelegt, während sie bei Thor gewacht hatten. Er schlief so fest, daß Patty Jane mehr als einmal seinen Hals berührt hatte, um seinen Puls zu spüren.
    Â»Was sollen wir jetzt tun, Clyde?« fragte sie. Sie saßen auf dem Boden, den Rücken an den Couchtisch gelehnt, und starrten abwechselnd ins Feuer oder auf Thor.
    Clyde Chuka schüttelte den Kopf.
    Â»Mein Gott, ist das eine Scheiße«, sagte Patty Jane. Sie legte den Kopf auf ihre Knie und weinte.
    Clyde Chuka hielt sie fest und weinte auch. In

Weitere Kostenlose Bücher