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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Landvik
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Spaziergänge mit Patty Jane und Clyde Chuka hatte er jetzt mehr Farbe, und die dunklen halbmondförmigen Ringe unter seinen Augen begannen zu verblassen. Wenn er lächelte, zeigte er kräftige, blitzend weiße Zähne; Temple Curry hatte die Wahrheit gesagt, sie hatte für seine Zähne gesorgt.
    Bei der Betrachtung Noras verspürte Patty Jane eine heftige Anwandlung mütterlicher Liebe. Ihre Tochter trug ein Taftkleid in der Farbe dunkler Rosen, das Ione genäht hatte. Als sie durch den Gang schritt, machte Inky Kolstat ein Foto und bemerkte laut: »Sie sieht aus wie die junge Tuesday Weld.«
    Der Organist schlug einen mächtigen Akkord an, ehe er Trumpet Voluntary begann. Harriet kam in dem Kleid, das sie für ihre Hochzeit mit Avel ausgesucht hatte, langsam den Gang herauf. Unter dem hauchdünnen Schleier fiel ihr das lose Haar in Wellen den Rücken hinunter. Sie trug den Brautstrauß und eine Lilie, die sie auf Avels Grab gepflückt hatte. (»Ich weiß, daß er unsere Hochzeit feiern würde«, hatte Harriet zu Reese gesagt. »So kann er wenigstens Blumen schicken.«)
    Reese hielt Harriets Hand und fuhr dabei zärtlich mit dem Daumen über ihre Innenfläche. Er war fast dreißig Zentimeter größer als Harriet und mehr als doppelt so schwer wie sie, und doch war es ihre schützende, ruhige Hand, die ihn aufrechthielt und verhinderte, daß er vor Demut und Glück in die Knie ging.
    Harriet drückte sich an ihn und fühlte sich in seiner zuverlässigen Kraft sicher aufgehoben. Sie dachte an ihre schlimmsten Zeiten – die Tage, als ihre Trauer um Avel so vernichtend gewesen war; die Tage, als sie auf der Straße gelebt und sich für eine Flasche Alkohol verkauft hatte –, doch all diese Tage waren nicht so schlimm gewesen, wie dieser eine Tag gut war.
    Pastor Nelson sprach ein Gebet um Frieden und Einigkeit, und als er fertig war, trat Evelyn Bright in einem raschelnden Kleid aus hundert Chiffonfalten aus der Kirchenbank und ging zu der Harfe beim Taufbrunnen. Sie setzte sich, rieb ihre Hände aneinander und begann Greensleeves zu spielen. Ihr Gesicht leuchtete vor Hingabe. Sie hatte dem Hochzeitspaar Kissenbezüge mit Monogrammen gekauft, doch dieses Lied war ihr Geschenk an Harriet.
    Nora bewegte nervös ihren Fuß auf und ab, kratzte sich im Gesicht und rutschte unruhig auf der Bank hin und her, bis ihre Großmutter ihr einen tadelnden Blick zuwarf. Sie war eine der wenigen, die wußten, was als nächstes kommen würde, und es fiel ihr schwer, ihre Aufregung in Zaum zu halten. Dem Programm zufolge sollte nach dem Harfensolo das Eheversprechen abgegeben werden, doch Nora, die Mitverschworene, wußte, daß vorher noch eine Überraschung geplant war.
    Evelyn Bright beendete das Lied mit einem hellen Zupfton am Ende ihres Glissandos, und es folgte ein Moment ehrfürchtigen Schweigens, in einer Kirche das Äquivalent für Applaus.
    Nora sah das leichte Nicken des Pastors, sein Signal. Harriet ließ Reeses Hand los, tätschelte sie kurz und drehte sich herum. Die lange Schleppe ihres Kleides glitt über den Teppich, als sie zur linken Seite der Kirche ging. Unter dem Getuschel der Gemeinde trat sie zum Podium und verneigte sich leicht, mit einem Lächeln zu Nora. Die Hochzeitsgäste tauschten achselzuckend fragende Blicke.
    Harriet hob den Schleier, der ihr Gesicht bedeckte, warf Reese einen Blick zu und nahm dann ihre Trompete, die dort gewartet hatte, vom Podium. Sie berührte kurz die Ventile, befeuchtete ihre Lippen und setzte das Instrument an ihren Mund. Sie spielte das Stück, das zu spielen sie sich endlich fähig fühlte, das Lied, das Louis Armstrong zu seiner Hymne gemacht hatte, What a Wonderful World.
    Den ganzen vergangenen Monat hatte sie Nora fast täglich von der Schule abgeholt (Patty Jane hatte sie erklärt, sie bekomme ihre Nichte dieser Tage einfach nicht oft genug zu sehen), und sie waren auf den Parkplatz des Tierkrankenhauses gefahren, um dort mit ihren Trompeten zu üben. Nora war erstaunt, wie gut ihre Tante Technik und Gefühl behalten hatte – sie hatte seit Avels Tod nicht mehr gespielt –, aber Harriet sagte, nein, ihre Atemtechnik sei miserabel, und ob Nora denn nicht höre, wie stumpf ihre Töne am Ende wurden?
    Tante und Nichte hatten glückliche Stunden in dem DeSoto verbracht, während sie unter späten, langsam

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