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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Landvik
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dunkler werdenden Herbsthimmeln Tonleiter und Duette geübt hatten. Hin und wieder blieben Leute neben ihren Autos stehen und hörten eine Weile zu, ehe sie in das Krankenhaus gingen.
    Patty Jane hätte am liebsten ihren Strauß bis zu den Dachbalken hinaufgeschleudert, als sie Harriets erste Töne hörte. Sie war so aufgeregt, daß sie gar nicht merkte, wie ihre Tochter aus der Kirchenbank schlüpfte, sondern sah sie erst, als sie neben ihrer Tante stand und ihre eigene Trompete herausnahm. Nora begleitete Harriet, als diese ihr Instrument niederlegte, um ihre Lieblingsstrophe zu singen:
    Â»I see skies of blue and clouds of white,
    The bright blessed day, the dark sacred night ...
    And I think to myself,
    What a wonderful world.«
    Nach dem Gesang übernahm Nora die Melodie und spielte zur linken Seite der Kirche, während Harriet auf der rechten Seite blies. Nora hielt den letzten Ton, und Harriet flog eine Tonleiter zu schwindelnden Höhen hinauf, ehe sie ihren Vortrag beendeten. Gleichzeitig setzten sie die Trompeten ab. Die Hochzeitsgäste konnten nicht anders; sie klatschten so laut, daß die Lilien in den Blumenständern schwankten. Harriet küßte ihre Nichte, und Nora nahm die Trompete mit zur Kirchenbank zurück, wo Thor sie mit einem Zeichen empfing, das er aus einem Werbespot im Fernsehen gelernt hatte, einem Ring aus Daumen und Zeigefinger.
    Â»Wau«, sagte er. »Wau, Nora.«

25
    Â» DIE brauchst du doch nicht, Ione«, sagte Patty Jane.
    Â»Ja, Grandma«, stimmte Nora ein und nahm ihr die Strickjacke aus der Hand, »du hast doch schon drei Pullis eingepackt.«
    Â»Ich bin gern auf alles vorbereitet«, entgegnete Ione. Sie stand, die Hände in die Hüften gestemmt, in der Mitte ihres Zimmers. Auf dem Bett lagen die grünen Koffer, die jahrelang nichts enthalten hatten als Hoffnung und Staub. Sie hatte davon geträumt, sie in Pariser Hotels zu schleppen, in Dampferkabinen und in Zelte in der Kalahari, doch jetzt machte es ihr beinahe Angst, sie tatsächlich zu packen.
    Norman und Ruth Fitch, ein älteres Ehepaar im Ruhestand, das sie aus ihrer Kirche kannte, wollten mit dem Wohnwagen durch die ganzen Vereinigten Staaten fahren und hatten Ione angeboten mitzukommen.
    Â»Du redest doch seit Jahren davon, daß du gerne reisen möchtest«, sagte Ruth, die im Naomi-Kreis Iones engste Freundin war. »Jetzt bekommst du die Chance.«
    Â»Aber bin ich euch denn nicht im Weg?« fragte Ione.
    Â»Wenn es soweit kommt, schicken wir dich nach Hause«, erwiderte Ruth.
    Â»Per Paketpost«, fügte ihr Mann hinzu.
    Als Ione Patty Jane von ihren Plänen erzählte, applaudierte sie. »Ach, Ione, davon hast du doch immer geträumt.«
    Â»Na ja«, sagte Ione mit einem Blick auf ihren Sohn, der in eine Decke gehüllt im Armsessel schlief, »ich weiß nicht recht. Ich glaube, ich sag lieber ab. Ich muß mich um Thor kümmern.«
    Patty Jane stieß einen Seufzer der Gereiztheit aus. »Ione, du beleidigst mich. Ich bin hier. Nora ist hier – verdamm mich, wir sind alle hier. Du bist zwar seine Mutter, aber das heißt doch noch lange nicht, daß du die einzige bist, die sich um ihn kümmern kann.«
    Ione wurde rot. » Uff-da , Patty Jane, so hab ich das nicht gemeint.« Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie die heißen Wangen kühlen. »Ich ... ich möchte doch nur nicht andere damit belasten, daß ich mir meine Wünsche erfülle.«
    Patty Jane stellte ihre Kaffeetasse ziemlich unwirsch auf die Untertasse. »Ione, ich bin jetzt wirklich nicht in Stimmung für nordische Schuldgefühle. Denk doch zur Abwechslung mal an dich.«
    Ione und die Fitches hatten eine umfassende Liste all jener Sehenswürdigkeiten zusammengestellt, die absolutes Muß waren: Herrenhäuser in den Südstaaten aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg, der Grand Canyon, die Amish-Gemeinde in Pennsylvania (Ione konnte zwar verstehen, daß man ganz ohne elektrischen Strom und moderne Verkehrsmittel leben konnte, aber ohne Reißverschlüsse?), die Küste von Maine. Wann sie zurück in Minneapolis sein würden, stand nicht fest.
    Ione betrachtete die Berge von Kleidungsstücken.
    Â»Du glaubst also nicht, daß ich das alles brauchen werde?«
    Impulsiv drückte Patty Jane sie an sich. »Lieber Himmel, Ione«, sagte sie, ihre Hände fest auf dem kräftigen Rücken ihrer

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