Patty Janes Frisörsalon
schon geirrt.
Ihre Hauptsorge war es jetzt, drauÃen auf dem Liegestuhl, den sie zusammen mit den anderen Gartenmöbeln erst vor einer Woche gekauft hatten, ihren Mann nicht zu beunruhigen, den wütenden Husten unter Kontrolle zu halten und dem Bedürfnis, rund um die Uhr zu schlafen, zu widerstehen.
»Es ist jemand drauÃen in der Auffahrt«, sagte Reese und stellte sein Glas auf den Tisch. Er machte das Tor auf und sah im Licht der StraÃenlampe Ione, die sachte an die Tür klopfte.
»Hallo, Ione«, rief er. »Wir sind hier hinten.«
Harriet schob ihre Decke hinunter, aber Ione, die mit raschem Schritt auf sie zukam, sagte: »Bleib sitzen, meinetwegen brauchst du nicht aufzustehen.«
Harriet lächelte. »Hallo, wann ist unsere Zigeunerin denn zurückgekommen?«
Ione schluckte krampfhaft. Beinahe hätte sie entsetzt gerufen, dein Haar! Dein schönes Haar! Es war kaum etwas übrig von Harriets langem kastanienbraunen Haar; nichts als ein paar hartnäckige Büschel, die von ihrem Kopf abstanden.
»Wir â sind gerade erst angekommen«, sagte sie. »Ich habe euch ein paar Geschenke mitgebracht.« Sie wandte sich Reese zu. »Für dich.«
Reese öffnete eine kleine silberne Dose und entnahm ihr eine Fingerspitze voll Erde.
»Die Erde ist aus Gettysburg«, erklärte Ione. »Und die Tabaksdose soll einem Südstaatensoldaten aus Savannah gehört haben, hat der Verkäufer gesagt.«
»Sollte mir da was entgangen sein?« fragte Harriet.
»Ione und ich interessieren uns seit neuestem für den Bürgerkrieg«, sagte Reese.
»Was?« Harriet sah Patty Jane an, aber die zuckte nur die Achseln. »Seit wann denn das?«
»Seit wir im Fernsehen Jezebel â Die boshafte Lady gesehen haben«, antwortete Reese. »Ihr Frauen wart bei einem von Inkys Vorträgen, und wir haben vor der Glotze gesessen und alles über den Fall der Konföderierten gelernt.«
»Und diese Betty Davis!« Ione schüttelte den Kopf. »Uff-da mayda.«
»Tja, vielen Dank, Ione«, sagte Reese, während er mit einem Finger über die Initialen strich, die auf dem Deckel der Dose eingraviert waren. »Jetzt kann ich eine Sammlung von Bürgerkriegsandenken anlegen.«
Harriet sah ihren Mann lächelnd an. »Und ich dachte, dein einziges Hobby wäre, den Rasen zu sprengen.« Ihr letztes Wort ging in einem Hustenanfall unter.
Als Harriet sich schlieÃlich nach Luft schnappend zurücklehnte, war die Stille fast greifbar. Als sie wieder ruhig atmen konnte, fragte sie Ione: »Und was hast du mir mitgebracht? Wenn es was für meine Haare ist, bring ich dich um.«
Die Ãbelkeit, die mit der Chemotherapie einherging, war für sie leichter zu ertragen gewesen, als der Verlust ihres Haares, das ihr danach in Büscheln ausging. Patty Jane hatte es kurzgeschnitten, damit der Haarausfall nicht so auffallen würde, aber sehr bald war es nicht mehr möglich, Harriets Kahlheit zu verbergen. An diesem Abend hatte sie es unterlassen, sich ein Tuch umzubinden, da sie keinen Besuch mehr erwartet hatte.
Ione stellte Harriet ihr Geschenk auf den SchoÃ, und Harriet packte es langsam und sorgfältig aus, zog jedes Stück Tesafilm so vorsichtig ab wie ein Pflaster vom aufgeschrammten Knie eines Kindes.
»Eine Spieluhr!«
»Wir haben sie in Vermont gekauft. Es ist ein altes Stück. Jedenfalls hat der Verkäufer das gesagt. Aber sie sieht auch alt aus, findest du nicht? Man weià natürlich nie, ob man in diesen Geschäften übers Ohr gehauen wird.« Ione preÃte ihre Lippen zusammen, um mit dem nervösen Gebabbel aufzuhören.
Harriet klappte den Deckel auf. Die klimpernden Töne der Wassermusik stiegen in die Luft.
»Händel«, sagte Harriet. Ihre Augen leuchteten. »Danke dir. Du weiÃt wohl schon Bescheid, nicht wahr?«
Ione nickte bedrückt.
»Petze«, sagte Harriet zu ihrer Schwester.
Patty Jane lächelte bitter. »Wir dachten, sie wäre schwanger.«
Harriet schüttelte den Kopf. Das Kerzenlicht warf flakkernde Schatten über ihr Gesicht, und Ione sah, daà Harriets Ekzem neu aufgeblüht war.
»Ich habe es mir so gewünscht. Mein Gott, hab ich mir das gewünscht.« Reese hatte ihre Hand gefaÃt. »Ich meine, ein Kind von Reese zu bekommen. Und schwanger zu sein ... ich meine, es wäre eine Erklärung dafür
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