Patty Janes Frisörsalon
sondern aus eigenem Entschluà fortgegangen war. Wozu dann ihren Schmerz neben Angeboten und Gesuchen wie »Rasenmäher zu verkaufen« und »Babysitter gesucht« an die groÃe Glocke hängen?
Milt Zims schlug den Hefter auf. »Ich habe sämtliche Kontakte überprüft: Kommilitonen, Lehrer, die Angestellten im Sportgeschäft, Männer, mit denen er Hockey gespielt hat, Laden- und Café-Inhaber in Dinkeytown, ich habe mich am Flughafen, an Bahnhöfen und Busbahnhöfen erkundigt â nichts! Der Bursche hat sich in Luft aufgelöst.«
Resigniert blickte Avel auf die Rechnung hinunter, die Milt Zims ihm diskret zugeschoben hatte. Er nahm sein Scheckbuch aus seiner Westentasche.
Zimsâ Lächeln troff von Tabaksäften. »Mein Honorar ist bescheiden und meine Spesen sind minimal«, bemerkte er, während er zusah, wie Avel den Scheck ausstellte. »Aber ich habe nichts gegen eine kleine Prämie.«
»Ich melde mich, wenn ich Sie wieder brauchen sollte«, sagte Avel. Er blies die Tinte trocken und reichte Zims den Scheck.
Als Avel die Tür des schäbigen kleinen Büros hinter sich geschlossen hatte, nahm Milt Zims den Scheck und sah, daà er auf zweihundert Dollar mehr als verlangt ausgestellt war.
Er pfiff leise. »Wie wär da die Prämie wohl ausgefallen, wenn ich den Burschen gefunden hätte.«
8
MEHR als ein Monat war seit Thors Verschwinden vergangen, und Patty Janes Depression wurde bösartig.
Harriet spielte Sousa-Märsche auf ihrer Trompete und marschierte im Stechschritt durch die Wohnung, aber Patty Jane fragte nur: »Glaubst du, du bist hier auf einem Footballplatz?«
Ione, die in der Küche wirtschaftete, übertraf sich selbst, zauberte federleichte Waffeln, Rhabarbermarmelade und Buttermilchkekse, Cremesuppen mit Muscheln und Schalotten und Desserts, die einen alle Genüsse aus Vogstads Bäckerei vergessen lieÃen: mit Puderzucker bestäubte Donuts, Toffeeriegel, die mit Schokolade überzogen und mit Walnüssen gekrönt waren, und Karameltrüffel. Aber Patty Jane stocherte mit einer Lustlosigkeit in ihrem Essen herum, die Ione Angst machte, wenn sie daran dachte, was für einen herzhaften Appetit ihre Schwiegertochter früher gehabt hatte.
»Nun hör mal, Patty Jane«, sagte sie, um einen leichten Ton bemüht, »ich hab mich den ganzen Nachmittag hingestellt, um diesen Biskuitkuchen zu backen, und du schaust ihn nicht einmal an.«
Patty Jane sah von ihrem Tablett auf. »Ich weià nicht, warum du dir die Mühe machst. Meinetwegen könntest du mir auch Sägemehl hinstellen. Ich esse sowieso nur, damit mir die Milch nicht wegbleibt.«
Avels Gebefreudigkeit steigerte sich noch, und das Haus füllte sich mit seinen Geschenken: ein weià emailliertes Kinderbett mit Himmel, ein Schaukelpferd mit Schwanz und Mähne aus richtigem Pferdehaar, ein neuer Kühlschrank, der automatisch abtaute, ein Plüschsofa, passend zum Sessel und zum Sitzpolster, zwanzig bunte, kuschelweiche Badetücher.
Patty Jane gewöhnte es sich an, in dem Fernseher, den Avel ihnen geschenkt hatte, Queen for a Day anzusehen, und starrte teilnahmslos auf den Bildschirm, während fremde Frauen ihre Jammergeschichten erzählten, die ihnen zum Trost vom Publikum mit Preisen prämiert wurden.
»Bei der Sendung könnte ich auch mitmachen«, sagte sie zu Avel, »verdammt noch mal, meine Geschichte ist mindestens so brutal wie die von denen da drinnen. Aber meine Schwester heiratet ja einen Sugar Daddy, da brauch ich mir die Mühe nicht zu machen.«
»Patty Jane!« rief Harriet. »Dafür entschuldigst du dich bei Avel.«
Patty Jane verdrehte die Augen. »Na, es stimmt doch!« Beinahe angriffslustig öffnete sie Thors Bademantel, und ihre Brüste quollen heraus. Nora erwachte und suchte gierig nach einer Brustwarze, und in Patty Janes Augen war ein hartes Blitzen, als sie aufblickte und sagte: »Was ist los mit euch, glaubt ihr, das hier ist eine Peepshow?«
Avel und Harriet berieten sich in der Küche, in der es nach frisch gebackenen Ingwerkeksen roch.
»Sie braucht Hilfe«, sagte Avel.
Harriets Hände zitterten, als sie sich eine Zigarette anzündete. »Sie braucht ihren Mann.«
Ione klappte das Backrohr zu und drehte sich mit verschränkten Armen nach ihnen um. »Die Hilfe zu finden wäre einfacher.«
Die drei steckten am
Weitere Kostenlose Bücher