Patty Janes Frisörsalon
baumelten.
»Die Wisconsin Dells. Dad hat uns immer versprochen, daà wir da mal hinfahren würden, aber es ist nie dazu gekommen. Seit ich sieben Jahre alt war, möchte ich in die Wisconsin Dells.«
»Du lieber Gott!« sagte Avel.
»Und zelten«, fügte Harriet hinzu.
»Das ist ja barbarisch!« rief Avel lachend.
»Morgens gehen wir angeln, nachmittags schwimmen und ...«
Avel griff über den Tisch und nahm ihre Hand. Seine weiÃe Manschette streifte einen Berg Hering in SahnesoÃe.
»... und abends lieben, lieben, lieben wir uns.«
Harriet lächelte verklärt. »In einem Schlafsack.«
Nach dem Mittagessen stürzten sie sich in das Verkehrsgewühl auf der 7. StraÃe (»Für ein Provinznest«, bemerkte Avel, der versuchte, die Fahrbahn zu wechseln, »wird Minneapolis allmählich ganz schön weltstädtisch«) und fuhren zu Wandas Brautausstattungen in der La Salle Avenue.
Wanda Durnam hatte in diesem Winter ihren siebzigsten Geburtstag gefeiert und teilte das gern jedem mit, weil es unweigerlich Ungläubigkeit hervorrief und den immer gleichen Refrain: »Tatsächlich? Sie sehen keinen Tag älter als fünfzig aus!«
»Contenance«, pflegte sie zu sagen und mit rubinroten Lippen zu lächeln, »Contenance und ein biÃchen schwarze Haarfarbe.«
Wanda stand gerade vor einem dreiteiligen Spiegel, in den Händen ein Brautjungfernkleid, mit dem sie sich wiegte wie mit einem Tanzpartner, als das Glockenspiel über der Tür bimmelte. Sie drehte sich herum und rückte ihre geschweifte Brille zurecht.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?« fragte sie, während sie das Kleid aus der Hand legte. In ihrer Stimme lag ein Anflug von MiÃbilligung â sie hatte aus ästhetischen Gründen etwas gegen Paare, bei denen der Mann kleiner war als die Frau.
»Wir suchen ein Hochzeitskleid«, sagte Harriet und drückte Avels Schulter.
»Das schönste Kleid für die schönste Braut«, fügte Avel hinzu.
»So, so«, meinte Wanda lächelnd, »da wollen wir mal sehen, was wir haben.« Auch wenn die GröÃe der beiden nicht zusammenpaÃte, ihre glückstrahlende Heiterkeit rührte sie. Junge Paare oder, am häufigsten, zukünftige Bräute und ihre Mütter gingen bei der Suche nach einem Hochzeitskleid meist mit der Ernsthaftigkeit von Anwälten bei der Auswahl von Geschworenen zu Werke. »Bitte nehmen Sie doch Platz«, sagte sie und wies auf zwei weiche Sessel mit einem groÃblumigen Muster. »Die Vorführung fängt in zwei Minuten an.«
Mit Wolken von Tüll und Organza, Gaze und Spitze, Voile und Taft in den Armen kehrte sie zurück. Sie warf die weiÃe Pracht auf ein kleines Sofa und hielt dann einen gepolsterten Satinbügel in die Höhe. Ein bodenlanges Crêpe-de-Chine-Kleid fiel in Kaskaden herab.
»Das ist wunderschön«, sagte Harriet. »Das nehme ich.«
Das ganz auf Taille gearbeitete Kleid hatte einen spitzen Ausschnitt und eine üppig fallende Schleppe.
»Hier hab ich noch ein paar sehr schöne Modelle«, sagte Wanda, das Crêpe de Chine schon wieder aus der Hand legend. »Das hier zum Beispiel, mit den Applikationen aus venezianischer Spitze, ist absolut atemberaubend, und dieses hier ist mein persönliches Lieblingsmodell ... Das würde ich tragen, wenn ich zwanzig und nicht siebzig wäre. Schauen Sie, geschlitzte Ãrmel im Renaissancestil, genau das Richtige für eine Julia.«
»Ja, hübsch, vielen Dank«, sagte Harriet und griff nach dem ersten Kleid. »Ich habe schon gefunden, was ich möchte.« Sie berührte sachte die kleinen Perlenknöpfchen.
Wanda griff zum Bleistift, der unter ihrem Turban steckte. »Sie ist eine Frau von schnellen Entschlüssen, stimmtâs?«
Avel nickte, die Hände im Schoà gefaltet. »Das kann man wohl sagen.«
»Sie könnten genau eine SechsunddreiÃig tragen«, sagte Wanda in der Garderobe, »wenn Ihre Hüften nicht so schmal wären.« Sie schrieb das letzte Maà in ihr Büchlein und klappte es zu. »Und Sie sind sicher, daà bei Ihrer Schwester keine Ãnderungen nötig sein werden?«
»Sie hat genau achtunddreiÃig«, antwortete Harriet und schlüpfte wieder in ihr eigenes Kleid. »Sie hat breitere Hüften und mehr Busen als ich.«
»Ich trage GröÃe sechsunddreiÃig.« Wanda
Weitere Kostenlose Bücher