Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Landvik
Vom Netzwerk:
spielte.
    Â»Meine Tante«, hatte Nora stolz geantwortet.
    Â»Hast du ein Glück«, sagte das Mädchen neiderfüllt. »Meine Tanten laufen alle so spießig rum und denken, Pat Boone ist der König des Rock’n Roll.«
    In einem Schulaufsatz hatte Nora geschrieben, sie wolle später einmal Musikerin werden wie ihre Tante Harriet; außerdem hatte sie vor kurzem angefangen, Trompetenunterricht zu nehmen.
    Jetzt starrte Nora Harriet an, als hätte sie ein Gespenst vor sich. Wie eine Rasende drehte sich Harriet um und rannte vor den lauten Rufen, die aus dem Busfenster kamen, das Nora geöffnet hatte, davon.
    Â»Tante Harriet! Tante Harriet!«
    Sie rannte, bis sie nicht mehr konnte und auf dem grasbewachsenen Hang des State Capitol zusammenbrach. Eine Wartungsmannschaft war gerade dabei, die Sprinkleranlage zu reparieren, als Harriet sich auf den wohlgepflegten Rasen fallenließ.
    Ein paar Leute näherten sich, um ihr zu helfen, einige fragten zaghaft »Madam?«, aber sie drangen nicht zu ihr durch und wichen ängstlich und verlegen zurück. Als sie sich schließlich aufsetzte, machte gerade ein guter Samariter einen Polizeibeamten auf sie aufmerksam. Sie sah, daß ihre Handflächen mit Grasabdrücken schraffiert waren. Blinzelnd stand sie auf und kämpfte gegen den Schwindel.
    Â»Alles in Ordnung, Madam?« fragte der Polizist.
    Â»Nein«, antwortete Harriet mit keuchendem Atem, »aber Sie können mich nicht verhaften, nur weil’s mir dreckig geht, oder?« Sie hatte es als Scherz gemeint – es war so lange her, seit sie das letztemal einen Scherz gemacht hatte –, aber es klang wie ein Vorwurf und der alte Polizeibeamte schlug nur die Augen nieder.
    Reese Brown studierte einen eingewachsenen Nagel, während er Doug zuhörte, der der Gruppe erzählte, wie er betrunken und ohne Urlaubserlaubnis auf einem Boot vor der Küste von Vietnam aufgewacht war. Etwa fünfundzwanzig Personen saßen auf Klappstühlen und füllten den kleinen Raum im Souterrain der St. Josephskirche (wo normalerweise Gebets- und Bibelstunden abgehalten wurden) mit Zigarettenrauch.
    Â»... ich wußte genau, daß ich vor einem Kriegsgericht landen würde und mir wahrscheinlich bei den Nutten, mit denen ich in Saigon das Wochenende verbracht hatte, einen prächtigen Tripper geholt hatte«, sagte Doug, »aber das einzige, was mich interessierte, war, wo krieg ich jetzt am schnellsten was zu trinken her.«
    Zustimmendes Gemurmel folgte seinen Worten. Es war stickig und heiß in dem kleinen fensterlosen Raum, und Reese hatte Mühe stillzusitzen; bald wippte er mit seinen großen Füßen, bald zupfte er an seinem rotblonden Haar. Es schien ihm unmöglich, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als den eingewachsenen Fingernagel und seine Pläne nach dem Treffen. Er würde zwei Flaschen Fresca in den Tiefkühlschrank legen und sie eiskalt trinken, während er in der Badehose in seinem Garten den Rasen spritzte. Vielleicht würde er sogar den Sprinkler andrehen und sich darunterstellen.
    Dougs Redefluß geriet ins Stocken, und Reese, der sich wunderte, welch tiefe Erkenntnis den ganzen Raum plötzlich zum Schweigen gebracht hatte, hob den Kopf. Er sah, daß die Aufmerksamkeit der Leute nicht auf den Sprecher vorn im Raum gerichtet war, sondern auf eine Person, die hinten an der Tür stand. Er blinzelte – er brauchte dringend eine neue Brille –, und es kostete ihn einen Moment, um zu erkennen, daß die Person an der Tür die Frau war, die er vor zwei Wochen nachts in ein Motel gebracht hatte.
    Sie sah schlecht aus. Sie trug die Kleider, die er ihr gekauft hatte, aber sie waren schmutzig und zerrissen. Ihr Haar war verfilzt, und auf einer Seite ihres Gesichts hatte sie ein Ekzem. Furcht verdunkelte ihre Augen, während sie dort auf der Schwelle stand.
    Die Beine von Reeses Stuhl quietschten, als er aufstand, und Harriet war zutiefst erleichtert, als sie ihn sah.
    Â»Eine Freundin von mir«, sagte Reese. Ein Chor der Begrüßung folgte. Reese nahm Harriets Hand, und sie lächelte, ängstlich und tapfer, und Reese sah schöne weiße Zähne unter dem Schmutz.
    Harriet sprach nichts im weiteren Verlauf des Abends. Noch immer Reeses Hand haltend, hörte sie mit angestrengter Konzentration den Zeugnissen zu. Als das Treffen beendet war, führte Reese sie hinaus, und sie gingen zu

Weitere Kostenlose Bücher