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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Landvik
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gezwirbelten Schnurrbart hatte, »das ist die Freiheit, die einen Fluchtweg gefunden hat, die Hoffnung, die sich durch einen Sprung im Bürgersteig schiebt, der Glaube, der in sein heiliges Horn stößt.« Der Mann stand vor einem Gebilde, das aussah wie ein bei einem Verkehrsunfall zerdrückter Kotflügel.
    Das eigentliche Kunstwerk hier war in Patty Janes Augen jedoch Clyde Chuka selbst. Er trug ein Rehlederhemd mit Perlenstickerei in Form eines Mondes und eines Sterns. Merry Chuka hatte es gemacht, und Patty Jane hätte ihr gern persönlich gesagt, wie schön sie es fand und, was wichtiger war, gefragt, ob sie Harriet irgendwo gesehen hatte; aber Clyde Chuka sagte, er würde sich nicht darauf verlassen, daß seine Mutter käme.
    Der Ausstellungsraum, Nebengebäude eines Lagerhauses, war vom Geruch süßen Tabaks durchzogen. Eine junge Frau in einem Röckchen, das nicht viel mehr als ein breiter Gürtel war, bot Patty Jane eine dünne graue Zigarette an.
    Â»Nein danke«, sagte Patty Jane. Sie hatte schon einmal Marihuana probiert – bei jedem Zug voller Angst, daß gleich J. Edgar Hoover durch die Tür brechen würde.
    Es war nach Mitternacht, als die Party endete und der Kellner, der die Gäste bedient hatte, einen Karton voll leerer Weinflaschen hinaustrug.
    Â»Hast du Hunger?« fragte Clyde Chuka und rieb sich die Hand, die vom vielen Händeschütteln weh tat.
    Â»Eigentlich nicht«, antwortete Patty Jane. »Ich hab mich an diesen kleinen Käsewürfeln sattgegessen.« Sie schüttelte den Kopf und rülpste leise. »Eine Verdauungstablette wär jetzt das Richtige für mich.«
    Â»Komm, dann gehen wir doch zum See hinunter.«
    Die Nacht war mild und still, die Geschäfte hatten schon vor Stunden geschlossen. Während sie in westlicher Richtung zum Calhoun-See gingen, erzählte Patty Jane Clyde die Geschichte, die er bereits kannte; die Geschichte, wie Harriet und Avel einander das erstemal begegnet waren und Avel sein nagelneues Auto ausgeliehen hatte, um es nie wieder zurückzubekommen.
    Â»Avel hat einmal zu mir gesagt, er hätte am selben Tag ein Auto und sein Herz verloren«, sagte Patty Jane.
    Harriet hatte angenommen, der Mann, der sie für eine Nacht in einem anständigen Motelzimmer untergebracht, der ihr frische Kleider und einen Zehndollarschein hinterlassen hatte, würde es bei dieser einen guten Tat bewenden lassen. Keinesfalls hatte sie damit gerechnet, daß er in zwei Monaten eines heißen und windigen Sommers die zweite Liebe ihres Lebens werden würde.
    Er hatte sie an dem Tag wiedergetroffen, an dem sie frisch geduscht, in dem rosa-weißen Hemdblusenkleid, das formlos von ihren knochigen Schultern herabhing, das Motelzimmer verlassen hatte. Reese war kein Dick Tracy; seine Logik war einfach. Er wußte, daß er sie nach elf Uhr, der Zeit, zu der das Motelzimmer geräumt werden mußte, in einer Bar oder einem Spirituosengeschäft in der Nähe des Motels finden würde. Und so war es. Er entdeckte sie in Mr. Frans Wein- und Spirituosenhandel.
    Er trat hinter dem Pappstandbild einer Blondine, die eine Flasche Wodka im Arm hielt, hervor und stellte sich vor: »Ich bin Reese Brown.«
    Und während er Harriet folgte, sagte er wieder: »Reese Brown. Ich hab Ihnen das Motelzimmer besorgt.«
    Â»Danke.« Harriets Blick flog über die Regale, die mit Flaschen ihrer Lieblingsgetränke gefüllt waren – Annie Green Springs und Boone’s Farm.
    Â»Ich hab Ihnen die zehn Dollar dagelassen, die Sie jetzt für Fusel ausgeben wollen.«
    Â»Wie gesagt, vielen Dank.« Sie starrte ein Sonderangebot an – vier Flaschen Carioca für acht Dollar neunundvierzig.
    Â»Ich hab eigentlich gehofft, Sie würden es für Essen oder so was nehmen. Sie wiegen doch bestimmt nicht mehr als vierzig Kilo.«
    Als sie die Flaschen in ihre dünnen Arme nahm, unterdrückte Reese mit Mühe den Impuls, sie einfach zu packen und über seine Schulter zu legen. Als er noch ein junger, hitziger Mann gewesen war, hatte seine Frau zu ihm gesagt: »Reese, du kannst nicht jede Situation mit Gewalt meistern«, und er hatte sich diese Worte zu Herzen genommen. Jetzt dämpfte er die meisten Impulse durch ruhige Überlegung. So zuckte er nun lediglich die Achseln und hob die großen Hände. Er folgte ihr zur Kasse, und während die Kassiererin die

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