Patty Janes Frisörsalon
Fuà und ohne zu sprechen unter grünen Ulmen hindurch zu Reeses Haus.
»Hier sind wir«, sagte er und wies mit dem Kopf zu dem kleinen, adretten Haus. Es war merkwürdig, er hatte das Gefühl, als wäre die Einführung dieser fremden Frau in sein Haus geprobt und sie wüÃten beide, was sie zu tun hatten. Als er mit ihr in den Flur trat, lieà sie endlich seine Hand los. Er machte den Wäscheschrank auf und nahm einen Stapel Handtücher und Waschlappen heraus.
»Hier, bitte ...«
»Harriet«, sagte sie â das erste Wort, das sie an ihn richtete.
Er stieà die Tür zum Badezimmer auf. »Es geht nichts über ein heiÃes Bad, Harriet, da fühlt man sich gleich besser.«
Während er dem Rauschen des Wassers lauschte, betete er: »Lieber Gott, gib, daà sie sich von mir helfen läÃt.« Er setzte sich auf das schmale Bett seiner Tochter und betrachtete die Poster, die sie nicht ins College mitgenommen hatte â Paul Revere und die Raiders, Desiderata, Fess Parker als Daniel Boone. Mit der Zeit wurde er ein wenig nervös, denn er fürchtete, Harriet könnte in der Dusche ausgerutscht oder ohnmächtig geworden sein.
»Harriet? Harriet, ist alles in Ordnung?« rief er, an die Badezimmertür klopfend.
Sie gab ihm keine Antwort, aber Reese hörte das Gurgeln der Rohre, das ihm sagte, daà das Wasser abgedreht wurde.
»Ich bin in der Küche«, rief er laut. »Ein Bademantel für Sie hängt an der Tür.«
Kaffee blubberte in der Maschine, und Reese kritzelte zerstreut auf dem Gesicht von Ho Chi Minh im Time Magazine herum, als Harriet in die Küche kam. Reese drückte mit einem Klick sorgfältig die Spitze seines Kugelschreibers ein und legte ihn auf die gefaltete Zeitschrift.
Das Revers des pinkfarbenen wattierten Bademantels zusammenhaltend, setzte Harriet sich an den Tisch, und Reese schenkte eine Tasse Kaffee ein, die er ihr wortlos hinschob. Er bot ihr eine Zigarette an und nahm selbst auch eine. Weder neigte sie kokett den Kopf, noch berührte sie seine Hand, als er ihr Feuer gab.
»Mein Name ist Harriet Dobbin«, sagte sie und blies eine Rauchfahne zur Decke hinauf, »und ich bin jetzt seit fast einem Jahr ständig betrunken.«
Reese setzte sich bequemer auf seinem Stuhl.
»Ich habe meine Angehörigen verlassen. Ich habe mich prostituiert. Ich habe gelogen. Ich habe gestohlen. Es gab nichts, was ich für einen Tropfen Alkohol nicht getan hätte.«
Sie machte eine Pause und trank von ihrem Kaffee.
»Er schmeckt gut«, sagte sie, »auch wenn ich ihn lieber mit einem Schuà Whisky hätte.« Sie lachte bitter. »Ich will nicht an Whisky denken, aber ich denke an Whisky.«
Reese nickte. »Das verstehe ich.«
Harriets Nasenflügel begannen zu beben. »Ich habe heut mein Patenkind gesehen. Meine Nichte Nora. Sie war früher ein groÃer Fan von mir, und dann hat sie mich heute gesehen. Sie saà im Schulbus.«
DrauÃen wurde es langsam dunkler, während Reese mit gesammelter Aufmerksamkeit ihrer stockend erzählten Geschichte lauschte, ab und zu nickte, ihre Hand hielt, wenn sie es brauchte, ihr Feuer gab. Er wirkte groà und zuverlässig und gelassen, aber das Herz flatterte ihm vor Glück wie ein kleiner Kolibri. Diese Frau war so bezaubernd, und sie war im Begriff, in sein Leben zu treten.
Labor Day, der erste Montag im September, war für Harriet ein Feiertag und ein Jubiläum. Seit dreiÃig Tagen hatte sie nichts Stärkeres getrunken als Limonade. Sie war körperlich erschöpft vom täglichen Kampf mit der Sucht; doch ihre Seele begann wieder Hoffnung zu schöpfen. Ich fühle mich ungefähr wie ein Teenager vor der dritten Fahrprüfung, dachte sie.
Sie betrachtete den Mann, der mit ruhigen, regelmäÃigen Atemzügen unter dem zerwühlten Laken an ihrer Seite schlief: Reese Brown. Das Licht der frühen Morgensonne fiel durch die Ritzen der Jalousie in schmalen Streifen auf das Bett. Harriet hob die Arme und streckte sich, glücklich in dem Gefühl, einen klaren Kopf zu haben und den Mann, den sie liebte, neben sich zu wissen.
Sie tastete auf dem Nachttisch nach ihren Zigaretten. Auch Reese rauchte. »Das ist das nächste, was wir aufgeben«, hatte er gesagt, und es hatte Harriet froh gemacht zu hören, daà er im Plural sprach. Doch er hatte einen gesunden Schlaf, und es würde ihn
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