Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
Vom Netzwerk:
soll ich gehört haben?« Peter Abel zog mit einem kräftigen Ruck die Zeitung auseinander und nach hinten und faltete sie wieder zusammen. Sie haßte das Geräusch, mit dem er umblätterte. Sie haßte es seit Jahren.
    »Drüben. Bei der Winter. Ich hab es klirren gehört.«
    »Na und?«
    »Und vorhin – es muß einen der Bäume erwischt haben.«
    »Gut so. Immer weg damit. Und heller wird’s dann auch.« Peter wiederum haßte es, wenn er morgens beim Zeitunglesen gestört wurde. Sie waren ein wunderbares Paar. Seit Jahren.
    »Soll ich mal rübergehen?«
    Peter knurrte. »Die kann schon für sich selbst sorgen. Sieh lieber zu, daß du mit meinen Hemden fertig wirst.« Er nahm einen Schluck Kaffee, schlürfend, wie immer.
    Ulla legte das gebügelte Hemd zusammen und beiseite und breitete das nächste über das Bügelbrett. So einen Sturm hatte sie lange nicht erlebt. Sie hatte die halbe Nacht wach gelegen. Nur Peter hatte geschnarcht. Wie immer.
    »Und wenn ihr was passiert ist?«
    »Kümmert es dich?«
    Ja, dachte Ulla. Nein. Aber die Frau war allein. Und wenn wirklich etwas passiert war …
    »Sie ist unsere Nachbarin, Peter.«
    »Ja. Leider.« Ihr Mann raschelte mit der Zeitung. Gleich würde es wieder kommen, das Geräusch.
    »Soll ich nicht vielleicht doch lieber …« Ulla Abel biß sich auf die Lippen. Sie erwartete keine Antwort. Wenn es nach ihm ginge, konnte Sophie Winter bleiben, wo der Pfeffer wächst. Und wenn es nach ihr ginge, wäre er aus dem Haus oder täte was Nützliches. Schlimmer als ein schlechtgelaunter Ehemann ist ein schlechtgelaunter Ehemann, der arbeitslos ist.
    Und der noch nicht einmal daran denkt, die Gass’ zu fegen oder Holz zu hacken oder einzukaufen.
    Noch drei Hemden. Peter Abel brummte irgend etwas Unverständliches. Sie hatte sich abgewöhnt, ihm zuzuhören, wenn er die Weltlage erörterte. Die da oben. Wir da unten. Sie kannte die Leier.
    Noch zwei Hemden. Noch eins. Fertig.
    Sie schaltete das Bügeleisen aus, sah kurz zu ihm hinüber – er schien den Anzeigenteil der Zeitung zu studieren, vielleicht war es ja sogar der Stellenmarkt – und ging hinaus in den Flur zum Telefon.

4
    Paul Bremer stand vor seinem Haus und blinzelte in die Morgensonne. Der Tag nach dem Sturm begrüßte ihn mit einem leergeräumten Himmel und einer Horde aufgekratzter Meisen im sauber gekämmten Apfelbaum. Der Wind, der die verblühenden Schneeglöckchen striegelte, war noch kühl, aber es roch schon nach aufbrechender Erde und strotzenden Knospen. Nemax und Birdie strichen mit vibrierenden Schwänzen um seine Beine, sie schienen sich nicht sicher zu sein, ob dies ein Tag auf dem Sofa oder der Heizung werden würde oder ob man einen Ausflug in die Flußaue wagen konnte, in der Hoffnung auf frühlingsbesoffene Mäuse.
    Aus dem Fenster im Nachbarhaus hingen Bettvorleger und Plumeaus zum Lüften. Gottfrieds Hähne verkündeten mit einer Inbrunst den Tagesanbruch, als ob sie ihn gerade erst erfunden hätten, und aus dem Stall auf der anderen Straßenseite drangen markerschütternde Schreie. Arme Schweine, Kohldampf schiebend. Oder, wie Bremer manchmal fürchtete, muskelbepackte Eber voller Freiheitsdurst und Rachsucht. Der schwarze Kater von nebenan trabte vorbei und maunzte klagend. Nemax zu Bremers Füßen gab ein tiefes Grollen von sich und machte einen Buckel.
    Vom Friedhofsweg her hörte man das Nörgeln einer Kreissäge. Um diese Jahreszeit zerkleinerte immer jemand Holz. Ein paar Wochen später schon erweiterte sich das Programm: Dann würden auf jedem Grasfleckchen die Rasenmäher quengeln. Und im Sommer, beim Einsatz des schweren Erntegeräts, spielte alles zusammen in der großen Sinfonie des Landlebens.
    Bremer reckte sich den kräftiger werdenden Sonnenstrahlen entgegen. Klein-Roda war laut, Klein-Roda stank, Klein-Roda war von mittelmäßigem Klima, Klein-Roda hatte nichts Exotisches und bot auch sonst keine Überraschungen. Aber er war froh, wieder hierzusein. Verdammt froh.
    Karen Stark zum Trotz. Seine beste, seine älteste Freundin – »solange ich nicht deine dickste sein muß« –, ach was, seine einzige Freundin wollte ihn seit Jahren nach Frankfurt locken. »Du brauchst Menschen, Abwechslung, Anregung.« Aber er wollte nicht. Zumal Karen immer dann, wenn man sie brauchte, Liebeskummer hatte oder auf Dienstreise war.
    Ein neues Geräusch mischte sich unter die vertrauten Laute. Es gehörte nicht dazu – besser gesagt: noch nicht. Es kam von der denkmalwürdigen Fernsehantenne auf

Weitere Kostenlose Bücher