Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter
drei Meter. Was war da los?
Katinka drückte auf die Hupe.
Nur noch ein Meter. »Katinka!«, rief er laut. »Du musst weiter hupen! Der sieht dich nicht!«
Das tat Katinka und presste beide Fäuste auf die Hupe.
Noch ein halber Meter.
Paul hörte das metallische Knirschen der Tür und das Bersten der Frontscheibe von Katinkas Mini. Er brüllte: »Raus! Du musst sofort raus aus dem Wagen!«
Auch Katinka schrie. Wie besessen fummelte sie an der Gurthalterung herum, hatte aber Probleme sie zu lösen. Paul sondierte in wenigen Sekunden die Lage und suchte den Weinmarkt nach Passanten ab. Doch niemand war zu sehen.
Er hetzte in Richtung seiner Wohnungstür. Obwohl er mehrere Stufen auf ein Mal hinuntersprang, schien sich die Zahl der Treppenstufen wie durch einen bösen Zauber vervielfacht zu haben. Eine Ewigkeit verstrich, bis er endlich ins Freie rannte.
Er eilte auf den Mini zu, der sich unter dem anhaltenden Druck inzwischen bedrohlich zur Seite geneigt hatte. Katinka war noch immer im Sicherheitsgurt gefangen, halb auf dem Fahrer-, halb auf dem Beifahrersitz. Paul rannte zu ihr und hieb mit den Fäusten auf die Gurthalterung ein. Kein Erfolg. Ohne lange nachzudenken, umrundete er den Lastwagen und riss die Fahrertür des Lkw auf.
Das Fahrerhaus war leer! Paul schwang sich auf den Sitz, trat gleichzeitig Bremse und Kupplung durch und legte den Vorwärtsgang ein. Er setzte einige Meter vor, zog die Handbremse fest an und eilte zu Katinka.
Die ließ sich erschöpft zurückfallen. Sie atmete heftig. Ihre Bluse war feucht vom Angstschweiß. Das Haar klebte ihr in der Stirn, und ihre hellen, wasserblauen Augen starrten Paul verwirrt an.
»Komm erst einmal nach oben in meine Wohnung«, sagte er fürsorglich und löste mit einigen energischen Zügen den verklemmten Anschnallgurt. »Du stehst unter Schock und musst dich ausruhen.«
»Einen Dreck werde ich!«, fauchte die Gerettete ihn an. »Wo ist der Fahrer dieses Ungetüms? Mit dem werde ich ein Wörtchen reden.«
Gerade als Paul ihr die Sache mit dem leeren Fahrerhaus beibringen wollte, kam ein Mann von gedrungener Statur und mit hängenden Schultern in einem abgenutzten Blaumann auf sie zu.
»Was, was, was haben Sie mit meinem Last… Lastwagen gemacht?«, stotterte er.
Katinka und Paul sahen sich ungläubig an.
7
Katinka lag auf seinem Sofa genau in der Position, in der es sich auch Paul vor dem dramatischen Vorfall gemütlich gemacht hatte. Sie wartete auf das Eintreffen von Polizei und Abschleppdienst. Von Gemütlichkeit konnte jetzt allerdings keine Rede mehr sein.
»Ich bin gespannt, wie der Fahrer erklären will, dass sich sein Laster selbstständig gemacht hat.«
»Das hat er nicht«, sagte Paul nachdenklich.
»Was willst du damit sagen?«
Selbstverständlich konnte ein Lkw nicht von allein den Rückwärtsgang einlegen und zielgerichtet ein Auto rammen. Paul ahnte mehr als zu wissen, dass es sich um Vorsatz handelte. »Kann es sein, dass irgendjemand mächtig sauer auf dich ist und sich revanchieren wollte?«, fragte er frei heraus.
Katinka lächelte gequält. »Falls du es vergessen haben solltest: Ich bin Staatsanwältin und mache mir von Berufs wegen jeden Tag neue Feinde.«
»Ich habe vorhin ein paar Aufnahmen gemacht«, kündigte er an und hielt den kleinen LCD-Bildschirm auf der Rückseite seiner Digitalkamera so, dass beide darauf schauen konnten.
»Die ersten Bilder zeigen dich in deinem Mini.«
»Wenig schmeichelhaft.« Katinka drängte darauf diese Aufnahmen zu überspringen.
»Hier taucht erstmals der Lkw auf«, erklärte Paul, als er spätere Aufnahmen auf dem Bildschirm erscheinen ließ.
»Und dort ist er von der Seite zu sehen.«
Katinka stützte sich auf ihre Ellenbogen, um auf dem winzigen Bild mehr erkennen zu können. »Kannst du näher an das Fahrerhaus heranzoomen?«
»Nichts leichter als das«, sagte Paul und vergrößerte den Bereich.
»Da ist etwas!«, rief Katinka. »Da! Schau genau hin!«
Auch Paul konnte den Umriss einer menschlichen Silhouette erkennen. Ganz eindeutig: Noch kurz vor seinem Eingreifen hatte jemand hinter dem Steuer des Lastwagens gesessen.
Paul versuchte einen Schuss ins Blaue: »Kann es ein Einschüchterungsversuch wegen deiner Ermittlungen im Fall Wiesinger gewesen sein?«
Katinka lächelte schwach. »Gerade dieser Fall ist so klar und präzise, dass sich niemand der Beteiligten von mir in die Enge gedrängt zu fühlen braucht. Außer dem Raubmörder natürlich, aber von dessen Spur sind
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