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Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter

Titel: Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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warten. Aus Pietätsgründen.«
    »Ach was«, tat der Koch Pauls Bedenken ab. »Ich habe den Kondolenzanruf damit verbunden, ihn auf eine Neuauflage seines Imageprospekts anzusprechen.«
    Paul wunderte sich sehr darüber, dass Andi Wiesinger in seiner augenblicklichen Situation ein Ohr für diese Lappalie hatte. Zugegeben: Tiefgreifende Trauer hatte er nicht gezeigt, als er an der Wiesinger-Villa mit seinem Porsche vorgefahren war. Paul konnte sich denken, dass der Junior unter großem Erwartungsdruck stand und sich eine lange Trauerarbeit wahrscheinlich gar nicht erlauben durfte.
    »Ehe ein anderer Fotograf bei ihm anklopft, habe ich dich ins Spiel gebracht«, sagte Jan-Patrick.
    »Danke.« Paul freute sich über das Engagement seines Freundes. »Wann darf ich in sein Büro kommen?«
    Paul beobachtete durch sein Objektiv, wie der Koch den Kopf schüttelte.
    »Nein, nein«, sagte Jan-Patrick, »so läuft das nicht. Du triffst ihn heute Abend im Parkcafé. «
    »Im Parkcafé? « Pauls Freude verwandelte sich in Skepsis. »Da ist es laut und gestopft voll mit den Schönsten der Schönen.«
    »Dann bist du dort ja genau an der richtigen Adresse.« Jan-Patrick zwinkerte ihm zu.
    Paul legte die Kamera beiseite und konzentrierte sich aufs Telefonieren. »Nun mal im Klartext: Ich soll ein Bewerbungsgespräch in der Disco führen?«
    »Wiesinger und seine Clique haben dauerhaft eine lauschige Ecke im großen Saal des Lokals reserviert. Ihr sitzt in gemütlichen Plüschsesseln, lasst euch vom künstlichen Sternenhimmel inspirieren und könnt ab und zu sogar einen Blick auf die eine oder andere vorbeihuschende Schönheit ergattern. Wenn das keine ideale Basis für einen lohnenden Vertragsabschluss ist, will ich Paul heißen.«
    »Bleibe lieber bei Jan-Patrick«, sagte Paul. Er bedankte sich bei seinem Freund. »Was kann ich als Gegenleistung für dich tun? Die eben gemachten Fotos vernichten?«
    »Das sowieso«, sagte der Wirt. »Außerdem kannst du mir ein Bratwurstrezept liefern.«
    »Bitte?«
    »Du hast richtig gehört. Dieses ganze Gerede und die Zeitungsartikel über die Wiesingers haben mich auf den Geschmack gebracht: Mein Beitrag für die Landesschau 200 Jahre Franken in Bayern wird eine täglich wechselnde Speisekarte mit variierenden Rostbratwurstgerichten sein.«
    »Das hast du nicht wirklich vor.«
    »Doch«, sagte der andere mit felsenfester Überzeugung. »Und ich denke dabei weder an Würstchen in Aspik noch an Wurstsalat mit Zwiebeln, sondern an wirklich ausgefallene Kreationen.«
    Kaum hatte Paul aufgelegt, klingelte sein Telefon erneut. Er nahm ab in der Annahme, noch einmal Jan-Patrick in der Leitung zu haben.
    »Was gibt es noch?«, fragte er freundlich. Am anderen Ende blieb es ruhig. Paul hörte lediglich ein leises Rauschen.
    »Hallo?«, fragte er.
    In das leise Rauschen mischte sich ein feines Knistern, und Paul gewann den Eindruck, jemanden atmen zu hören. Das Atmen klang merkwürdig verzerrt. Beinahe metallisch.
    »Hallo?«, fragte er erneut. Dann wurde die Verbindung unterbrochen.

9
    Während der Vorbereitungen auf den Abend sah sich Paul vor zwei Probleme gestellt. Das erste war die Garderobe. Heute war Donnerstag, und er wusste durchaus, dass das Parkcafé sehr in und sehr schick war – und der Großteil seiner Besucher halb so alt wie er. Da er nicht in Szene-Kneipen ein- und ausging, fehlte ihm die dafür notwendige Coolness. Nach längerem Nachdenken entschied er sich für ein schlichtes, dunkelgraues T-Shirt und einen lässig fallenden schwarzen Anzug. Denn Schwarz ist immer angesagt, dachte er sich, und ein bisschen wie ein Künstler sah er damit auch aus.
    Das zweite Problem bestand darin, dass er sich nur sehr ungern allein unter das Publikum im Parkcafé mischen wollte. Er musste nicht lange über eine geeignete Begleitung nachdenken, und tatsächlich erklärte sich Hannah sofort bereit mitzukommen, als er sie anrief und zum Abend einlud.
    »Also dann bis um zehn!«
    »So spät?«, fragte Paul.
    »Vorher ist da nichts los«, sagte Hannah nachsichtig. »Wiesinger wird sowieso kaum vor Mitternacht eintreffen.«
     
    Sie nahmen Pauls Renault, und obwohl es ein kurzes, kompaktes Auto war, brauchten sie lange, um eine passende Parklücke zu finden.
    »Kommen Sie«, sagte Hannah unternehmungslustig, als sie ausstiegen.
    Sie trug eine offenherzige weiße Bluse, über deren Kragen ihre Locken bei jedem Schritt auf und ab wippten.
    »Was macht Antoinette heute Abend?«, erkundigte sich Paul,

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