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Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter

Titel: Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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gezuckt, als Paul sich verabschiedet hatte. Was, zum Teufel, wurde hier gespielt? Paul war ein Mensch, der allein schon aus Bequemlichkeitsgründen gern an Zufälle glaubte. Aber das Schicksal seines Fahrrads erinnerte ihn doch allzu sehr an das von Katinkas Mini. Und er fragte sich zutiefst besorgt, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Vorfällen gab – wie auch immer dieser aussehen mochte.

16
    Zu Fuß gestaltete sich der Rückweg entlang der Pegnitz recht zäh, zumal Paul den Rahmen seines Rades geschultert und ein paar unzerstört gebliebene Teile unter den Arm geklemmt hatte.
    Die leicht ansteigende Weißgerbergasse, die ihn mit einer angenehm kühlen Brise empfing, war seine letzte Herausforderung, bevor er schweißüberströmt am Weinmarkt ankam und den Rest seines Fahrrads in einer Ecke des Hausflures abstellte. Er war frustriert. Nicht allein wegen seines zerstörten Fahrrads, sondern weil er sich hinters Licht geführt fühlte. Jemand hatte gewusst, was er vorhatte, und hatte ihm ordentlich eins ausgewischt.
    Jetzt gab es für ihn nur einen Ort, der ihn wieder aufbauen konnte. Er blickte zunächst durch die große Schaufensterscheibe des Goldenen Ritters und trat durch den von den blau lackierten, gusseisernen Säulen flankierten Eingang in das schmale, windschiefe Fachwerkhaus.
    Die Auslage im Tresen gleich neben der Tür war mit zerstoßenem Eis gefüllt, und bald würde Jan-Patricks gute Seele Marlen sie mit frischem Fisch bestücken, und den Abendgästen würde schon beim Eintreten das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Als ihm Jan-Patrick mit lässig übergestreifter Schürze entgegenkam, fühlte sich Paul in seinen Erwartungen bestätigt. Hier durfte er sich zurücklehnen und seine schlechte Laune für einen Moment vergessen.
    »Gut, dass du gerade jetzt auftauchst«, begrüßte ihn der Koch enthusiastisch, »komm mit!«
    Jan-Patrick zog Paul am Saum seines T-Shirts durch die dunkle, eng bestuhlte Gaststube bis in die Küche. In dem kleinen, weiß gekachelten Raum waren zwei Angestellte damit beschäftigt, Zutaten für die Menüs der abendlichen Gäste herzurichten. Auf einer Arbeitsplatte hatte Jan-Patrick sorgfältig nebeneinander mehrere Schüsseln mit klein geschnittenen Zwiebeln, mit Hackfleisch und anderen Zutaten bereitgestellt.
    »Und, was zauberst du heute Schönes?«, fragte Paul.
    Jan-Patrick, der Paul nur bis zur Schulter reichte, grinste breit. Seine schneeweißen Zähne bildeten einen auffälligen Kontrast zu seinem dunklen Teint und dem pechschwarzen, mit viel Gel zurückgekämmten Haar. »Die erste von tausendundeiner himmlischen Bratwurstkreation!«
    Paul schaute näher hin. »Du machst also tatsächlich Ernst mit deiner Idee. Was genau soll das werden?«, fragte er, als er in einer Schüssel geriebenen Käse und griffbereit daneben eine Flasche Cognac bemerkte.
    Jan-Patrick spitzte auf seine unnachahmliche Art die Lippen, wobei sich feine Fältchen um seine Augen bildeten. Wüsste Paul nicht ganz sicher, dass Jan-Patrick einem uralten fränkischen Geschlecht entstammte, würde er ihn ganz bestimmt als Süditaliener einstufen.
    »Das wird ein sommerlicher Wurstimbiss«, sagte der Koch selbstgefällig und untertrieb dabei kokettierend.
    »Wie ich dich kenne, eher ein Sterne-Koch-Schmaus«, sagte Paul.
    Jan-Patrick lächelte geschmeichelt und ließ sogleich seine flinken Finger über die Zutaten sausen.
    »Wir haben hier gewürfelten Räucherbauch, frisches Bratwurstgehäck, fein gehackte Zwiebeln …« Jan-Patrick schüttete die Räucherbauchstückchen in eine Pfanne auf seinem Gasherd. In einer zweiten landeten zischend die Zwiebeln.
    »Glasig dünsten«, sagte Jan-Patrick und gab im nächsten Atemzug das Gehäck dazu, vorsichtig eine Prise Salz, Paprikapulver und einen kräftigen Schuss Sahne.
    »Ist das nicht ein Frevel für einen Profi wie dich?«, fragte Paul irritiert, als er seinen Freund nach einer Ketchupflasche greifen sah.
    Jan-Patrick lachte auf. »Du musst es ja keinem weitersagen!« Dann schmeckte er das angereicherte Bratwurstgehäck mit dem Ketchup und Zitronensaft ab. Nahezu gleichzeitig schnitt er ein Weißbrot der Länge nach auf, griff hinein und zog – als würde er einen Fisch ausnehmen – mit einer gekonnten Drehung seiner Rechten das Innere heraus. Die ausgehöhlten Brothälften beträufelte er mit Cognac.
    »So«, sagte Jan-Patrick und drehte das Gas herunter. »Jetzt fülle ich das Gehäck zusammen mit dem Räucherbauch in das Brot.«

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