Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter
stoßen.
»Antoinette!«, stieß er leise aus. »Was zum Teufel …« Er sah nach dem Pförtner, doch der zeigte ihm seinen breiten Rücken und sprach durch ein Mikrophon mit dem Fahrer des Lkw.
Paul drehte das Buch zu sich herum. Hinter Antoinettes Namen waren mehrere Daten verzeichnet. Paul sah sich die anderen Spalten hinter den Datumseinträgen an. Dort waren die jeweiligen Abholer eingetragen. Paul konnte die Handschrift des Pförtners nur schwer entziffern, doch schließlich setzte er aus den schnell geschriebenen Silben den Namen Wiesinger zusammen. Und zwar bei allen drei Besuchsterminen. Vor dem Wort Wiesinger war jeweils der Buchstabe D angegeben.
Paul pfiff leise durch die Zähne. Doro Wiesinger?
Hektisch schob Paul das Buch zurück. Keine Sekunde zu früh, denn der Lkw fuhr dröhnend an ihm vorbei, und der Pförtner richtete seine volle Aufmerksamkeit auf Paul.
»Flemming, sagten Sie?« Er blätterte in seinem Besucherbuch. Dann schüttelte er den Kopf. »Herr Wiesinger hat Sie mit einem Sperrvermerk versehen. Ich kann Sie nicht passieren lassen.«
»Und was ist mit meinem Auftrag?«
Der Pförtner blieb ruhig. »Sie werden sich wohl einen anderen Auftraggeber suchen müssen.«
»Sehr freundlich von Ihnen«, sagte Paul mit einem Anflug von Sarkasmus.
Es hatte wenig Zweck, mit dem stoischen Wachmann weiterzudiskutieren. Paul entschied sich für einen würdevollen Rückzug, immerhin hatte er eine unfassbare neue Information gewonnen: Antoinette hatte sich mehrmals mit Doro Wiesinger getroffen. Er war gespannt, was Katinka dazu sagen würde.
Paul hatte sich nur wenige Schritte entfernt, als er hinter sich das verräterische Klackern von Stöckelschuhen hörte. Ungläubig drehte er sich um.
Doro Wiesinger trug wieder ein extravagantes Kleid, diesmal in leuchtendem Gelb. Sie hatte die Pforte offenbar kurz nach ihm passiert und redete wild gestikulierend auf ein Handy ein. Zu Pauls Erleichterung bemerkte sie ihn nicht.
Paul drückte sich an einen Baum und versuchte sich unsichtbar zu machen. Doro Wiesinger war ungefähr fünf Meter von ihm weg. Von ihren Worten, die sie ins Telefon sprach, bekam er nur Bruchstücke mit. Immerhin glaubte er zu verstehen, dass es um Geld ging, wohl um eine größere Summe. Doro Wiesingers Stimme hatte einen dringlichen Ton.
Gerade als er sich aus seinem Versteck herauswagen wollte, bog die schwarze Limousine der Wiesingers in die Straße ein. In Höhe von Doro Wiesinger blieb das Luxusgefährt stehen. Schönberger schwang sich heraus. Dann öffnete er die hintere Tür.
Aus dem Wagen meldete sich eine Stimme zu Wort: »Du wirst einen Anwalt brauchen. Die Staatsanwaltschaft hat versucht dich zu erreichen.«
Paul erkannte Andi Wiesingers überheblichen Tonfall sofort.
»Ich kann mir denken, worum es geht: Die Bullen haben mich in der Nacht auf der Autobahn geblitzt«, giftete Doro Wiesinger. »Na und? Was besagt das schon?«
»Eine ganze Menge, wenn man seinen gesunden Menschenverstand benutzt«, antwortete ihr Mann mit einem Anflug von Gehässigkeit. »Jedenfalls stellt es dein Alibi in Frage. Kannst du dir das leisten?«
»Du … du …!«
Paul hörte trotz der Entfernung, wie Doro Wiesingers Stimme bebte.
»Möchten Sie bitte einsteigen?«, übte der Chauffeur einen sanften Druck auf sie aus und hielt weiter die Tür auf.
»Ich denke nicht daran!« Sie stemmte die Arme in die Hüften. »Soll es doch die ganze Stadt erfahren, dass es mit den Wiesingers zu Ende geht.«
»Still!«, herrschte Andi Wiesinger sie an, der nun ebenfalls die Limousine verließ. »Nichts geht zu Ende. Die Sache mit Jungkuntz werden wir vor Gericht regeln. Und wegen der Würstchen verhandeln unsere Anwälte mit dem Rechtsreferat der Stadt. Nach zwei, drei Tagen Produktionspause ist das Thema vom Tisch.«
»So billig wirst du nicht davonkommen«, giftete Doro Wiesinger. »Dein Vater hat deinen Geschäftsstil nie gut geheißen.«
»Schrei nicht so in der Gegend herum!«, ermahnte sie Andi Wiesinger erneut. »Steig endlich ein. Ich rufe meine Anwälte an, und Schönberger wird dich nach Hause fahren.«
Der Chauffeur setzte sich weisungsgemäß wieder hinter das Steuer und wartete.
»Das werde ich nicht tun!«
»Du verstehst noch immer nicht«, sagte Andi Wiesinger. »Nicht ich stecke in Schwierigkeiten, sondern du.«
Paul machte sich hinter dem Baum so schmal, wie er konnte. Dennoch fürchtete er, jeden Moment entdeckt zu werden.
»Willst du mir etwas anhängen?«, forderte Doro
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