Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
vor das Wappen hielt, wusste er, dass er einen Teil des Rätsels gelöst hatte.
Auch Fink nickte und lächelte dabei noch immer selbstzufrieden: »Ich habe es doch gewusst.« Er nahm Paul die Fotos ab, um selbst vergleichen zu können. »Nun – der Stand der Blütenblätter ist ein wenig anders, aber im Großen und Ganzen scheint es sich um ein und dieselbe Blume zu handeln. Einwandfrei ein Bestandteil des Wappens der Familie von Buchenbühl.«
Paul überlegte, ob ihm dieser Name etwas sagte. Doch er konnte sich nicht entsinnen, beim Schmökern in seinen Büchern jemals auf die von Buchenbühls gestoßen zu sein. »Wo lebt diese Familie?«, wollte er wissen. »Eigentlich sind mir ja die meisten Patriziernamen geläufig oder zumindest irgendwann einmal zu Gehör gekommen, aber . . .«
»Nicht dieser Name.« Pfarrer Hertel schob seinen stattlichen Körper zwischen ihn und die Wappentafel. »Die von Buchenbühls existieren nicht mehr«, sagte er mit seiner tiefen Stimme, und Paul meinte, einen theatralischen Anklang darin zu hören.
»Die Buchenbühls wurden Opfer des Zweiten Weltkriegs«, sagte Fink mit gedämpftem Ton. »Die Familie ist in einer der verheerenden Bombennächte ausgelöscht worden. Soviel ich weiß, wollten sie ihren Familienstammsitz nicht aufgeben. Sie hatten sich sogar einen eigenen Privatbunker im Keller einbauen lassen, aber die Sauerstoffzufuhr funktionierte nicht.«
Pfarrer Hertel blickte zu Boden. »Ja, das ist eine sehr traurige Geschichte.«
»Der Feuersturm hat ihnen im wahrsten Sinne des Wortes die Luft zum Atmen genommen«, knüpfte Fink an. »Die meisten Familienmitglieder sind jämmerlich erstickt, die wenigen, die flüchten wollten, rannten direkt in die Flammen. – Niemand hat überlebt. Die ganze Familie wurde getötet.«
Paul brauchte einen Moment, um das Gehörte zu verarbeiten. »Die ganze Familie?«, fragte er schließlich. »Bisher hatte ich vom Schicksal der von Buchenbühls noch nie etwas gehört.«
»Das haben die wenigsten aus deinem und den noch jüngeren Jahrgängen«, sagte Fink. »Nach dem Krieg hatten die Leute andere Sorgen, als dem Ende eines ohnehin schon dezimierten Patriziergeschlechts nachzutrauern. Die Buchenbühls hatten nur noch wenige Nachkommen. Sie befanden sich so oder so auf dem absteigenden Ast.«
»Dennoch werden wir gerade ihr Andenken wahren«, sagte Pfarrer Hertel mit mahnend erhobener Hand, worauf Fink entschuldigend nickte.
»Natürlich, das werden wir«, pflichtete Fink seinem Kollegen eilig bei. »Die von Buchenbühls waren treue und engagierte Gemeindemitglieder. Vor allem unsere beiden Hauptkirchen St. Sebald und St. Lorenz haben sie tatkräftig unterstützt.«
Paul ahnte, worin diese Unterstützung bestanden hatte, wunderte sich aber darüber, dass die beiden Geistlichen mehr als sechzig Jahre nach Kriegsende noch so viel Aufhebens von diesem Patrizierzweig machten. »Die Spendengelder der von Buchenbühls dürften aber längst aufgebraucht sein, oder?«, fragte er gerade heraus.
Fink und Hertel wechselten einen skeptischen Blick untereinander. Hertel nickte leicht, dann ergriff Fink das Wort: »Die von Buchenbühls haben der Kirche ihren gesamten Nachlass vermacht, und das war weit mehr als ein Bündel Geldscheine und Schmuck.«
»Wir haben das Kapital frühzeitig angelegt und konnten daraus lange Zeit die anfallenden Instandhaltungskosten der Sebalduskirche decken«, ergänzte Pfarrer Hertel.
»Aber jetzt geht euch das Geld wegen der wackelnden Glockentürme doch noch aus?«, forderte Paul Hannes Fink heraus.
Dieser sah ihn ernst an: »Du musst es deinem Freund Blohfeld ja nicht gleich auf die Nase binden.«
»Er ist nicht mein Freund«, stellte Paul klar.
»Wie ich schon sagte«, meldete sich Hertel wieder zu Wort, »von den von Buchenbühls konnten wir ein beträchtliches Barvermögen übernehmen.«
»Und Grundstücke«, ergänzte Fink stolz, »hast du von dem aktuellen Bauvorhaben von Herrn Schrader gehört?«
»Wer hat das nicht?«, gab Paul die Frage zurück. »Aber du willst mir doch nicht erzählen, dass die Franziskanerhof-Passage auf einem Grundstück der Kirche gebaut werden soll, oder?«
»Doch, genau so ist es«, sagte Fink. »Schrader hat das Gelände von uns in Erbpacht übernommen. Dieses Geld werden wir in weitere, dringend fällige Sanierungsmaßnahmen investieren, und vielleicht gelingt uns damit eine Renovierung der Glockentürme.«
Paul blickte noch einmal auf das Wappen der Familie von Buchenbühl.
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