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Paul Flemming 03 - Hausers Bruder

Titel: Paul Flemming 03 - Hausers Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Madonnenlilie bis ins Mittelalter als heidnisch konnotiert. Erst danach wurde über den Umweg der Heiligen Susanna (von hebräisch Shushan, die Lilie), die als Vorläuferin Mariens gilt, die Madonnenlilie aufgrund ihrer strahlend weißen Farbe zum Symbol der Reinheit in der christlichen Formensprache anerkannt und erhielt so ihren Namen.«
    Paul sah nachdenklich auf, um sich gleich darauf wieder in den Text zu vertiefen: »Als Konzession an die Unschuld wurde die Madonnenlilie meist ohne Stempel und Staubgefäße dargestellt. Die Patrizierfamilie von Buchenbühl setzte sich jedoch über diese Einschränkung hinweg und unterstrich somit ihre Souveränität. Gleichzeitig drückt die Lilie im Wappen ihr Engagement zur Verschönerung der Stammkirche St. Sebald aus.«
    Paul brütete lange über diesen Zeilen, bevor er weiterlas: »Der rote Mantel, der den Schild umhüllt, wurde dem Wappen hinzugefügt, als ein Familienmitglied Stadtoberhaupt wurde; ebenso die beiden Hellebarden. Die Waage im oberen Bereich bedeutet, dass die Familie ihren Reichtum durch ein gut gehendes Handelsgeschäft aufgebaut hat. Wie bei Patrizierfamilien im Allgemeinen üblich, wurden einzelne Elemente des Wappens isoliert, um als Standes Symbole für Nachkommen eingesetzt zu werden.«
    Paul stutzte und las den letzten Satz des Artikels ein zweites Mal, dann durchsuchte er das Internet den ganzen verbleibenden Nachmittag nach weiteren Hinweisen. Am Ende hatte er sein Wissen über die Patrizier um etliche Erkenntnisse erweitert und das Geheimnis der Lilie beinahe gelüftet. Was ihm letztlich noch fehlte, um einen Zusammenhang her stellen zu können, waren mehr Informationen zum Leben von Franz Henlein.
    Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Überlegungen – und Paul war mehr als überrascht über die unerwartete Anruferin.
    24
    Zunächst erkannte er die Stimme am anderen Ende der Leitung nicht:
    »Herr Flemming? Sind Sie das?« Die Anruferin klang jung und selbstbewusst.
    »Ja. Wer ist dran?«, fragte er, stand auf und ging hinüber zum Fenster.
    »Jasmin Stahl. Sie erinnern sich? Die Polizistin aus der Kfz-Werkstatt. Rotblondes Haar – dämmert’s jetzt?«
    »Ach, Sie sind das?« Paul war ziemlich baff. »Woher haben Sie denn meine Nummer?«
    Die junge Frau zögerte einen Moment. »Aus dem Internet. Und Ihren Namen hat mir der Kollege von der Hauptpforte verraten, bei dem Sie sich für Ihren Besuch im Präsidium eingetragen haben. – Sie sind doch nicht sauer deswegen, oder?«
    »Nun . . .«, Paul konnte seine Verwunderung kaum verbergen, »und was wollen Sie von mir?«
    Wieder wartete die Anruferin einige Sekunden ab: »Die Unfallgeschichte hat mich irgendwie nicht losgelassen.«
    »Aber Sie sagten doch, die Sache sei klar: Eine lose Schraube war der Auslöser und der Rest Schicksal.«
    Jasmin Stahl räusperte sich. »Sie hatten bei Ihrem Besuch im Präsidium so einen seltsamen Gesichtsausdruck: nachdenklich und ein bisschen traurig. Sie kannten den Fahrer, habe ich recht?« «
    Paul bejahte.
    »Dann werden Sie auch wissen, dass Henlein als äußerst korrekt, ja fast schon pedantisch galt«, fuhr die junge Frau fort. »Das geht zumindest aus den Protokollen meiner Kollegen hervor.«
    »Sie haben sie gelesen?«
    »Ja. Und ich habe mir auch die Schrauben oder besser gesagt das, was davon übrig ist, noch einmal gründlich vorgenommen. Die Bruchkanten haben mich ziemlich stutzig gemacht. Wissen Sie, wenn tatsächlich nur eine Schraube lose gewesen wäre, wie ich zunächst vermutet habe, hätte das durch die stärkere Belastung der verbleibenden zu einem sogenannten Dauerbruch der anderen Schrauben geführt: Sie wären so lange in ihrer Struktur geschwächt worden, bis sie nachgegeben hätten. Die lose Schraube dagegen wäre erst beim Abbrechen des Rades durch die spontane Krafteinwirkung geborsten: In der Fachsprache heißt das Sprödbruch, da sich die Oberfläche des gerissenen Metalls in so einem Fall rauh und porös anfühlt.«
    »Sie wollen also andeuten . . .«
    »Das ist mehr als eine Andeutung, Herr Flemming«, sagte Jasmin Stahl bestimmt, »ich habe auf dem kleinen Dienstweg einen alten Studienfreund von mir eingeschaltet, der beim BKA in Wiesbaden arbeitet.«
    »Beim Bundeskriminalamt?«, fragte Paul beeindruckt.
    »Genau. Alex – so heißt er – hat eine metallurgische Untersuchung vorgenommen. Unter dem Rasterelektronenmikroskop hat er auf atomarer Ebene eine deutliche Verschiebung im Metallgefüge festgestellt«, sprudelte es

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