Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
Schraubverschluss von der Flasche und reichte sie Paul zusammen mit einem Tonkrug. »Weißt du«, setzte Fink an, »Gottfried ist so nett und hilft in unserer Gemeinde etwas aus.«
Der weißhaarige Pfarrer nickte jovial.
»Ich habe es ja – glaube ich – schon erzählt: Er war früher Pfarrer von St. Lorenz und ist noch immer ab und zu als Seelsorger aktiv«, fuhr Fink fort. »Sonst hätten wir den Beerdigungstermin für Herrn Henlein auch gar nicht so kurzfristig wahrnehmen können.«
»Solange es die Gesundheit zulässt, helfe ich gern aus«, sagte der Altpfarrer bescheiden.
»Außerdem hat er Erfahrung mit der Instandhaltung alter Gotteshäuser«, setzte Fink seine Lobeshymne fort.
»Allerdings.« Hertel lachte leicht gequält. »Was schätzen Sie, junger Mann, was der bauliche Unterhalt einer Kirche wie St. Lorenz im Jahr kostet?«
Paul zuckte mit den Schultern. »Das kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass es am Kölner Dom eine ständige Bauhütte für Instandsetzungsarbeiten gibt. Also wird es schon einiges kosten.«
Beide Pfarrer sahen sich gleichsam amüsiert wie wissend an. »Bis an den Rhein brauchst du gar nicht zu gehen«, sagte Fink. »Auch an der Pegnitz könnten wir so eine dauerhafte Bauhütte gut gebrauchen.«
»Eine halbe Million Euro müssen wir jährlich in die Sanierung unseres mittelalterlichen Bürgerdoms investieren«, lüftete Hertel dann das finanzielle Geheimnis.
»Und bei St. Sebald ist es nicht viel weniger«, ergänzte Fink.
»Die Landeskirche überweist St. Lorenz pro Jahr hundertsiebzigtausend Euro für den Erhalt des Sandsteingemäuers – Tendenz leider sinkend«, holte Pfarrer Hertel aus. »Die Denkmalpflege steuert dann noch einmal fünfundzwanzigtausend bei. Von der Stadt Nürnberg bekommen wir zehntausend Euro.
Im Gegenzug kassiert die Kommune aber sechzehntausend für die Reinigung des Lorenzer Platzes und fürs Abwasser. Der Bezirk überweist tausend, der Verein zum Erhalt von St. Lorenz schießt zwanzigtausend zu. Den großen Rest aber müssen der Postkarten – und Bücherverkauf sowie der Opferstock erbringen – auf die Dauer ein eher aussichtsloses Unterfangen.«
»Und genauso sieht es bei uns in St. Sebald aus.« Fink setzte eine Trauermiene auf. »Zu allem Überfluss haben wir jetzt auch noch Probleme mit der Statik.«
»Wie denn das?« Paul ließ sich von der bierbedingten Geselligkeit der beiden Geistlichen anstecken und fragte neckisch: »Bricht den Betenden etwa bald das Dach über den Köpfen zusammen?«
»Das nicht gerade«, antwortete Fink und stand auf. »Lass uns doch einfach hinübergehen. Ich erkläre es dir dann in der Kirche.«
Angesichts des Mitteilungsbedürfnisses seines Freundes hatte Paul sein eigenes Anliegen vorerst zurückgestellt. Als er neben den Pfarrern den Sebalder Platz überquerte und auf die ebenso imposante wie filigrane Kirche zuging, deutete Fink in Richtung der zwei hoch aufragenden Glockentürme: »Der Süd – und der Nordturm wurden im Mittelalter nur bis zur Hälfte der heutigen Höhe angelegt. Erst im 14. und 15. Jahrhundert stockten die Bauleute die weiteren Etagen auf. Ob diese zusätzlichen Lasten ausreichend aufgefangen wurden, wusste damals niemand so genau.«
»Wir dagegen inzwischen schon«, ergänzte Pfarrer Hertel mit seiner tiefen Stimme, »und die Erkenntnisse der Statiker stimmen einen nicht gerade optimistisch.«
»Aber seit den Umbauten an St. Sebald sind doch schon Jahrhunderte vergangen«, wandte Paul ein. »Die Tragfähigkeit der Sandsteinmauern ist ja wohl kaum in Zweifel zu ziehen, oder?«, fragte er mit Blick auf die sonnenbeschienene Flanke des Gotteshauses.
»Im Zweiten Weltkrieg sind beide Türme total aus gebrannt«, antwortete ihm Fink. »Treppenaufgang, Zwischenböden, Glockenstühle – alles in Schutt und Asche. Die inneren Steinquader platzten durch die extreme Hitze um bis zu zehn Zentimeter tief auf.«
»Die verrußte Ruine war nicht mehr belastbar«, ergänzte Pfarrer Hertel. »Erst das nachträgliche Einziehen von Betondecken, Stahlträgern und Ringankern hat den Einbau neuer Glockenstühle erlaubt. – Das war 1952, denn wir mussten lange warten, bis wir ausreichend Geld zusammengetragen hatten. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als die Glocken das erste Mal nach Kriegsende wieder erklangen.« Die Augen des Altpfarrers glänzten, während er in seinen Erinnerungen schwelgte.
»Und das Problem liegt heute wo?«, fragte Paul, als sie die Kirche erreicht hatten.
Fink zog
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