Paul Flemming 03 - Hausers Bruder
mir und dem Rest der Welt deine blühenden Reize immer wie auf dem Silbertablett präsentieren? Meinst du nicht, dass das ein bisschen billig wirkt?«
Pauls spitze Bemerkung zeigte Wirkung: Hannah zog ihre Jacke über der Brust zusammen, fand aber schnell zu ihrer gewohnten Schlagfertigkeit zurück: »Wenn Männer mein Dekolletee loben, freue ich mich, sonst werde ich zu sehr auf meine inneren Werte reduziert. Auch nicht gut«, sagte sie bissig.
»Punktsieg in der zweiten Runde für dich.« Paul drückte Hannah zur Begrüßung an sich. »Schieß los: Was kann ich also für dich tun?«
»Mich zum Essen einladen?« Sie zog einen Schmollmund und guckte ihn mit großen Augen an. »Mein Magen knurrt, aber mir steht heute nicht der Sinn nach Mensafraß – und Jan-Patricks Restaurant ist so nah . . .«
»Machst du dir denn keine Sorgen um dein Image, wenn du mit mir altem Knacker ausgehst?«, gab Paul ironisch zurück.
Hannah stutzte kurz, parierte aber dann: »Nein, das ist doch ganz normal. Die Leute werden denken: Älterer Herr mit Brieftasche sucht junge Frau ohne Falten – und zahlt deshalb die Rechnung.«
»Danke für das Kompliment«, sagte Paul jetzt schon zum zweiten Mal.
»Welches Kompliment?«, fragte Hannah misstrauisch.
»Naja, dass du tatsächlich zu glauben scheinst, mein Geldbeutel wäre ausreichend gepolstert, um deinen gehobenen Ansprüchen zu genügen.«
Marlen bot ihnen wieder den kleinen Tisch am Kücheneingang an. Der Küchenmeister hätte gerade keine Zeit, erklärte die Kellnerin. Doch er ließ einen Gruß aus der Küche ausrichten und fragte an, ob sich Hannah und Paul als Versuchskaninchen für sein neustes Karpfengericht zur Verfügung stellen würden. Die beiden sagten spontan zu – und bereuten es nicht:
»Köstlich«, schwärmte Paul, nachdem er die erste Gabel in den Mund geschoben hatte.
Auch Hannah nickte anerkennend und studierte aufmerksam die Speisekarte. »Gebratenes Karpfenfilet mit Steinpilzfarce und Holunder-Cassis-Sauce. Lecker, Jan-Patrick ist ein König.«
»Und vergiss nicht das Brezel-Soufflé«, ergänzte Paul schlemmend.
Was Hannah wirklich von Paul wollte, offenbarte sie erst beim Espresso: »Ich habe gestern Abend ziemlich lange mit Mama geredet. Sie hat sich bei mir ausgeheult. Das war natürlich ein vertrauliches Gespräch, und ich werde Sie umbringen, wenn Sie mich verraten.«
»Nie im Leben«, versicherte ihr Paul und hörte aufmerksam zu.
»Mama macht sich Gedanken darüber, warum Sie zurzeit so abweisend auf sie reagieren.«
»Was heißt hier abweisend?«, fragte Paul empört.
Hannah überging seine Zwischenfrage: »Sie glaubt, dass es bei Ihnen im Grunde genommen nur um die Entscheidung zwischen Freiheit und Familie geht und Ihr Egoismus es nicht zulässt, sich für Familie zu entscheiden.«
»Aber das ist doch gar nicht wahr!«, begehrte Paul auf. »Und wenn ich tatsächlich in solchen Kategorien denken würde, müsste man ja erst einmal klären, was Freiheit überhaupt bedeutet.«
»Stimmt«, sagte Hannah betont langsam. »Ihre Generation hat ja wirklich das Glück, nicht mehr irgendwelchen Zwängen gehorchen zu müssen wie die Jahrgänge vor Ihnen. Selbst mit zwei, drei Kindern würde es Ihnen noch freistehen, dahin zu gehen, wo Sie wollen. Aber ich bin der Meinung, dass jeder von uns für die anderen Menschen um sich herum Verantwortung tragen und trotzdem seine Eigenständigkeit bewahren kann.«
»Das hast du dir sehr schön zurechtgelegt, allerdings ist das reichlich theoretisch gedacht.« Paul trank seinen Espresso aus.
Doch Hannah ließ sich nicht irritieren: »Außerdem ist es doch so, dass jedes oberflächliche Vergnügen irgendwann langweilig wird.« Hannahs hellblaue Augen schienen ihn durchbohren zu wollen. »Wenn Sie also mit Ihren jungen, knackigen Fotomodellen auf einer Jacht unterwegs durchs Mittelmeer wären, ginge Ihnen das Gekicher dieser Mädels irgendwann auf den Keks. Und ihr ewiges Verlangen nach Champagner! Sie könnten sie natürlich beizeiten austauschen, aber irgendwann würden Sie merken, dass sich alles unablässig wiederholt. Und dann fehlt Ihnen plötzlich die Vertraute, mit der Sie jahrelang durch dick und dünn hätten gehen können: eben eine feste, auf gegenseitigem Vertrauen gebaute Beziehung.« Hannah senkte den Blick. »Wahrscheinlich klingt das alles in Ihren Ohren furchtbar spießig und langweilig, aber ich meine das durchaus ernst.«
»Puh!« Paul stieß die Luft aus. »Na ja, deine Alternative zum
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