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Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Lindquist
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hatte. Ich schaute mir immer wieder die Fotoalben an, aber ich konnte immer noch nicht verstehen, was ich nicht sehen sollte. Auch wenn ich davon ausging, dass mein Nicht-Sehen eigentlich gar nichts mit dem Gemälde im Traum zu tun hatte.
    Einige Male hatte ich versucht, Daniel dazu zu bringen, mir zu erzählen, was er wusste, aber er wollte noch immer nicht seine Geheimnisse preisgeben. Also setzte ich meine Suche nach Anhaltspunkten auf deinen Fotografien fort.
     
    Es war früh am Abend einige Tage vor meinem sechzehnten Geburtstag. Ich war gerade am Le sen, als das Telefon klingelte. Mama nahm ab. Sie redete eine Weile, aber ich konnte nicht hören, was sie sagte. Dann rief sie nach mir. »Es ist Daniel. Er möchte mit dir sprechen .«
    »Hallo, Jonas. Ich bin's«, sagte Daniel. »Störe ich ?«
    »Nein, überhaupt nicht.«
    »Also, es ist so, dass ich an deinem Geburtstag verreist bin. Ich werde zu meinem Bruder fahren. Und ich dachte mir, du könntest heute Abend vielleicht zu mir kommen, wenn du magst. Ich habe ein kleines Geschenk für dich .«
    »Klar«, sagte ich, »ich komme gern .«
    Ich schloss die Tür zu meinem Zimmer und öffnete den Kleiderschrank. Ich holte meine Schatzkiste mit dem Brief und die beiden Fotoalben heraus. Ein Teil der Fotos war festgeklebt. Das hatte ich bereits festgestellt, als ich sie zum ersten Mal angeschaut hatte. Doch der Rest war mit Fotoecken befestigt. Ich löste die beiden Bilder des anderen Jungen und zwei Bilder von Paul.
    Plötzlich bemerkte ich etwas. Jemand hatte auf die Rückseite des einen Fotos von dem anderen Jungen Mému malému Princi geschrieben.
    Ich starrte überrascht auf die fremden Worte, bevor ich die Alben und die Schatzkiste wieder versteckte.
     
    »Na, Jonas«, sagte Daniel, nachdem wir gegessen hatten. »Jetzt wird es Zeit für das Geschenk. Was meinst du ?«
    Er lächelte, erhob sich aus dem Sessel und holte ein kleines rotes Paket.
    »Du musst das Papier entschuldigen « , sagte er lächelnd, »aber ich hatte nur Weihnachtspapier da. Bitte schön .«
    »Danke !«
    Ich hielt das Paket in meinen Händen.
    »Nun mach schon! Du brauchst nicht bis zu deinem Geburtstag zu warten .«
    Ich riss das Papier auf. Weihnachtsrot und Gold. Es waren zwei kleine Schachteln.
    »Mach sie auf«, forderte Daniel mich auf.
    In der ersten lag eine kleine geschnitzte Holzfigur, ein ebenholzschwarzes Wesen mit großen Augen.
    »Sie sieht beinahe so aus wie diese Klee-Figur an der Wand«, sagte Daniel. »Aber sie ist aus Afrika. Aus Ghana. Sie nennen die Figuren Akua ba . Es ist eine Fruchtbarkeitsgöttin. Oder Liebesgöttin, wie man möchte. Du kannst sie um den Hals tragen oder an die Wand hängen .«
    »Sie ist wunderschön. Danke, Daniel .«
    Er lachte und zeigte auf das zweite kleine Päckchen.
    Ich öffnete es. Darin waren zwei zusammengerollte Hundertkronenscheine.
    »Jetzt kannst du selbst etwas kaufen, was du haben möchtest«, sagte Daniel lächelnd.
    »Du bist verrückt«, sagte ich. »Das ist viel zu viel .«
    »Ach, überhaupt nicht.«
    »Danke !« , wiederholte ich.
    Wir saßen eine Weile schweigend da; hörten der Musik zu. Nippten am Kaffee. Ich blätterte in einem Kunstband. Dann dachte ich an meinen Umschlag. Ich ging in die Diele und holte ihn.
    »Was hast du mitgebracht ?« , fragte Daniel.
    »Ist das ein Brief ?« Ich nickte.
    »Ist es ... ist es der Brief? Den du auf dem Dachboden gefunden hast ?«
    Er sah mich forschend an.
    »Warum hast du ihn mitgebracht ?«
    »Ich wollte ihn dir zeigen«, fing ich an. »Ich dachte ... du würdest vielleicht...«
    Er seufzte und schüttelte den Kopf.
    »Du gibst wohl niemals auf. Was führst du im Schilde? Sara erzählte, dass du sie auch gefragt hättest. Nicht, dass sie etwas dagegen hätte. Im Gegenteil. Sie scheint das alles ganz spannend zu finden. Aber ich weiß nicht ... Ich weiß nicht, wohin das Ganze führen soll. Ich habe es dir ja schon mal gesagt; ich will nicht geheimniskrämerisch sein. Aber ich bezweifle, ob deine Fragerei einen Nutzen hat. Worauf willst du hinaus? Was glaubst du zu finden ?«
    »Meinen Bruder«, antwortete ich leise. Daniel zögerte einen Moment.
    »Das ist ein ... ein sensibles Thema, auf das du dich einlässt, Jonas. Und ich bin nicht sicher, ob dir gefällt, was du entdeckst. Vielleicht wirst du es sogar hassen .« Er machte eine Pause. »Oder einen von uns, die dabei waren.«
    »Hassen?« Ich war überrascht. »Ich werde niemanden hassen. Weshalb sollte ich? Ich will lediglich

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