Paul, mein grosser Bruder
näherzukommen.
Er stand draußen im Flur in der Schlange vor der Toilette. Göran kam dazu und stellte sich hinter ihn. Sie unterhielten sich. Paul wankte plötzlich. Er erzählte, dass er gestürzt wäre, wenn Göran ihn nicht festgehalten hätte. Aber Göran ließ ihn nicht wieder los, als Paul sich gefangen hatte. Er stand ganz dicht neben Paul und hielt ihn umschlungen. Und da gab Paul ihm einen Kuss auf die Wange. Göran lachte und fragte, ob Paul in ihn verliebt wäre. ‚Vielleicht‘, antwortete Paul. ‚Bist du etwa schwul ?‘ fragte Göran lachend. Es war kein gemeines Lachen, laut Paul. Also wagte er es, seine frühere Antwort zu wiederholen. ‚Vielleicht.‘
Dann war die Toilette frei. Und Paul fragte, ob Göran mitkommen wolle. Göran fragte, warum er das wolle. ‚Wir können dann über Kreuz pinkeln‘, antwortete Paul.
Göran ging mit. Er schloss die Tür ab. Und als sie fertig waren, drehte sich Göran um und fragte Paul, ob er das ernst gemeint hatte im Flur. ‚Klar‘, sagte Paul. Göran kam noch näher, griff Pauls Hand, der gerade seinen Reißverschluss zumachen wollte. ‚Was machst du ?‘ , fragte Paul. ‚Ich taste mich vor‘, antwortete Göran und ... und fing an, Pauls Glied zu streicheln. Paul erzählte, dass er sich gleichzeitig sowohl glücklich als auch ängstlich gefühlt habe. ‚Hier‘, sagte Göran und führte Pauls Hand zu seinem ... zu seinem Glied .«
Ich hörte Daniels Erzählung gespannt zu. Ich zog die Beine aufs Sofa und schlang die Arme um meine Knie.
»Frierst du ?« , fragte Daniel. »Soll ich das Fenster schließen ?«
»Nein, nein. Ich friere nicht. Ist okay .«
»Also, dann erzählte er, dass er gefühlt habe, wie Görans Glied in seiner Hand gewachsen sei, aber dass er sich nicht traute, das zu machen, was Göran wollte. ‚Bist du feige ?‘ , fragte Göran. Aber Paul antwortete, dass er lieber irgendwo anders hingehen würde. ‚Sie stehen doch draußen an. Es sind doch noch andere, die hier rein wollen .‘ Göran wurde ärgerlich. ‚Du wolltest doch, dass ich mit reinkomme‘, zischte er. ‚Dann kannst du ja wohl irgendwas machen .‘ Aber Paul wollte nicht. Dann zog er sich zurück.
Göran zog seinen Reißverschluss zu und stieß Paul hart in die Brust. Er war völlig unvorbereitet' verlor die Balance und fiel rückwärts gegen die Badewanne. Er schlug mit dem Kopf auf die Kante und schaffte es nicht einmal aufzustehen, bevor Göran die Tür aufgeschlossen hatte. Jemand aus der Schlange kam herein und stellte sich in die Türöffnung. ‚Was geht denn hier ab ?‘ , wollte er wissen. Und Paul konnte Görans Antwort aus der Diele hören. ‚Dieser Scheißschwule Paul. Er hat mich auf dem Klo an gegrabscht .‘
Paul hörte, wie sie lachten. Er stand auf, zog den Reißverschluss zu und drängte sich an dem anderen vorbei. Er kam noch rechtzeitig in die Diele, um einen anderen Klassenkameraden sagen zu hören: ‚Und du, Göran, was hast du da drin auf dem Klo mit einem anderen Kerl gemacht ?‘ Paul sah, wie Görans rechte Faust den anderen direkt im Gesicht traf. Der Junge stürzte. Blut rann aus seiner Nase, und er fing an zu weinen. ‚Zum Teufel noch mal !‘ , schrie Göran. ‚Heulst du etwa! Man könnte ja glatt meinen, du wärst auch schwul !‘ Paul nahm seine Sachen und raste davon. Hierher, zu mir.«
»Was für ein Scheißkerl !« , brach es aus mir heraus. »Wie kann man so was nur tun ?«
Daniel schüttelte den Kopf. »Beruhige dich«, sagte er. »Man sollte nicht so schnell urteilen. Göran war bestimmt genauso ängstlich und verunsichert wie Paul. Jeder reagierte lediglich auf seine Art. Göran wurde wütend und benutzte seine Fäuste. Während Paul eher der war, der sich zurückzog. «
»Ich finde auf jeden Fall, dass er sich wie ein Schwein benommen hat«, schimpfte ich erbost. »So was tut man einfach nicht .«
Daniel beugte sich vor und berührte meine Hand. »Doch, Jonas. So was macht man. So was tun die Menschen die ganze Zeit; sich gegenseitig verletzen. Einander plagen. Nur weil sie selbst unsicher sind oder gewisse Dinge nicht begreifen können. Oder nicht begreifen wollen . Das passiert die ganze Zeit. Ich habe dich doch gewarnt, oder? Ich sagte, dass das, was ich erzählen würde, vielleicht nicht ganz angenehm sein wird .«
Ich nickte stumm.
Nach einer Weile bat ich Daniel fortzufahren.
»Ich glaube, es reicht«, sagte er. »Es wird schon spät. Und Sara wollte nicht, dass du so spät nach Haus kommst .«
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher