Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Lindquist
Vom Netzwerk:
weiß .«
    Ich hatte Daniel noch immer nicht die Fotos gezeigt, die ich dabei hatte. Und ich hatte noch nichts über diesen tschechischen Jungen erfahren, der meinen Bruder Princi nannte. Und noch etwas wollte ich Daniel fragen.
    »Nur einen kurzen Moment«, bat ich ihn.
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, es reicht jetzt. Ich kann dir ein anderes Mal mehr erzählen. Vielleicht. Jetzt weißt du ja zumindest schon ein bisschen mehr. Übrigens, ich möchte nicht, dass du Sara oder Stefan irgendetwas davon erzählst. Sie wissen von nichts. Und es gibt keinen Grund, dass sie es erfahren sollten. Ich meine, es würde sie nur traurig machen. Und das möchte ich nun wirklich nicht. Wenn Paul nicht so jung gestorben wäre, hätten sie seine Homosexualität natürlich entdeckt. Ich meine, sie hätten es unter eher -natürlichen-Umständen erfahren. Aber da er starb, bevor er es selbst erzählen konnte, und da er nicht gerade ... nun, wie auch immer, sie brauchen es jetzt nicht mehr wissen. Es würde sie nur verwirren. Ich hätte es dir niemals erzählt, wenn du es nicht schon geahnt hättest. Wie auch immer du das angestellt hast. Das verstehe ich nicht. Aber versprich mir, dass du es nicht deinen Eltern erzählst .«
    »Klar«, sagte ich. »Aber dann musst du mir versprechen, mir ein anderes Mal mehr zu erzählen .«
    Daniel runzelte die Stirn. »So was nennt man Erpressung. Darauf lasse ich mich nicht ein .«
    »Entschuldige. Ich habe es nicht so gemeint. Aber ich möchte, dass du mehr erzählst. Das kannst du doch machen? Ich habe dir übrigens auch einiges zu erzählen .«
    Er lachte. »Nun, das kann ich mir vorstellen. Wir werden sehen .«
     
    Daniel stand in der Tür zur Diele und sah mich an, als ich die Wildlederjacke anzog.
    »Sie ist schön, die Jacke«, sagte er. »Sie steht dir .«
    »Ja, das sagen Mama und Papa auch. Allerdings wird sie langsam etwas zu klein .«
    Ich schnürte meine Schuhe zu, stand auf und sah Daniel an. Ich wollte zu ihm hingehen. Aber er schien so weit weg zu stehen. Ich machte einen Schritt auf ihn zu.
    »Du, Daniel ... «, setzte ich an, wurde aber durch das Klingeln des Telefons unterbrochen.
    »Das wird Sara sein«, sagte Daniel. »Sie ruft an, um zu fragen, wo du bleibst. Lauf nach Hause, dann brauche ich sie nicht anzulügen .«
    »Aber...«
    Er kam zu mir, legte mir die eine Hand auf die Schulter und strich mir mit der anderen über die Wange.
    »Lauf jetzt, mein Junge. Wir können uns wieder treffen .«

SIEBEN
    Das zweite Schulhalbjahr hatte begonnen, aber ich lag mit einer Grippe im Bett. Als das Fieber nachließ, wurde mir richtig langweilig. Darum holte ich Pauls Fotoalbum hervor.
    Ich lag im Bett und betrachtete das Bild, auf dem du aus dem Badezimmer kommst. Ich versuchte, deine Augen zu erkennen, aber das Foto war zu unscharf. Einen Moment bildete ich mir sogar ein, den Abdruck von Görans Hand auf deiner Brust zu sehen. Wie ein Stigma. Aber es war nur Einbildung. Ich versuchte, alle unsere Ähnlichkeiten zu entdecken. Aber ich fand, wir sahen uns nicht besonders ähnlich.
    Dann dachte ich an den großen Spiegel an der Innentür des Garderobenschranks in der Diele.
    Ich stieg aus dem Bett und öffnete den Garderobenschrank. Ja, ich konnte mich von der Badezimmertür aus im Spiegel sehen. Aber irgendetwas fehlte. Na klar. Das Handtuch. Ich nahm ein Handtuch vom Haken, hielt es in der rechten Hand und stellte mich in einer ähnlichen Position auf wie du auf dem Foto. Ja, jetzt war es genauer. Aber es stimmte immer noch nicht ganz. Meine Haare. Deine Haare waren nass und standen in alle Richtungen ab. Einen Moment zögerte ich. Aber dann machte ich mir die Haare im Waschbecken nass.
    Eine ganze Weile stand ich da und schaute - mal auf das Foto von dir - aufgenommen vor einem anderen Badezimmer ungefähr siebzehn Jahre früher - und mal in mein eigenes Spiegelbild. Wir waren einander wirklich ähnlich. Auch wenn ich etwas schmächtiger bin. Aber wir waren uns ähnlich. Wie Brüder.
    Im selben Moment öffnete Papa die Haustür am anderen Ende der Diele.
    »Hallo !« , rief er.
    Blitzschnell zog ich die Badezimmertür zu und schloss ab.
    »Hallo, Papa !« , rief ich und trocknete mir die Haare.
    Ich hörte, wie er die Tür vom Garderobenschrank schloss. Und mir fiel ein, dass meine Unterhose noch in meinem Zimmer lag.
    Ich fühlte meine Haare an; sie waren einigermaßen trocken. Dann spülte ich.
    Papa saß mit der Zeitung am Küchentisch. Er sah auf, als ich die Badezimmertür

Weitere Kostenlose Bücher