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Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Lindquist
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Und musste lachen, als ich von einem Ereignis von Ende Februar 1969 las. Paul erzählte, dass Papa alle Sockelverblendungen der Kleiderschränke festgeschraubt hatte. Im Tagebuch stand:
     
    Ich sagte ihm, dass ich in meinem Zimmer in Ruhe gelassen werden wollte, dass er das ein anderes Mal machen könnte. Oder ich könnte es vielleicht auch selbst machen. Er wirkte etwas verärgert, aber ließ sich darauf ein. Hoffentlich vergisst er es. Wenn nicht, muss ich wohl ein neues Versteck finden. Oder ich muss mich mit der anderen Stelle abfinden.
     
    Es gab also noch ein anderes Versteck. Ich hatte es schon fast geahnt, weil ich ja nur das vierte Buch gefunden hatte. Die anderen Bücher können ja nicht einfach verschwunden sein. Aber ich war überzeugt, dass sich das andere Versteck nicht in meinem Zimmer befand.
    Und dann fand ich den ersten Eintrag über Petr. Oder Milenec.
     
    Donnerstag, den 13. März 1969
    Was für ein unglaublicher Tag! In der letzten Schulstunde hatten wir eine Doppelstunde Zeichnen. Häkanson sagte, wir dürften etwas machen, was wir noch nie gemacht haben. Wir würden nach Modell zeichnen. Und ich glaubte, wir sollten uns gegenseitig zeichnen. Aber als wir in den anderen Saal gingen, sah ich einen Jungen, der wartete. Er war so schön, dass ich rot wurde. Ich sah, dass Göran auch rot wurde. Er trug nur einen dicken Morgenrock, und als Häkanson ausgeredet hatte, zog er den Morgenrock aus und setzte sich auf das Pult. Er war völlig nackt. Er wirkte irgendwie anders nackt als die anderen sonst in der Umkleide. Ich bekam einen Ständer. Und war total zittrig, als ich zeichnen sollte. Aber Häkanson war trotzdem zufrieden mit meiner Zeichnung, obwohl er findet, dass ich zu schön male. Ich wurde wieder rot. Manchmal glaube ich, er versteht, was in mir vorging. Und dann, nach der Schule, begegnete ich dem Jungen, der Modell saß. Er kam gerade bei Sjölins raus, als ich reinwollte. Hallo, sagte er und lächelte. Ich nickte nur. Und wurde rot ...
     
    Ich glaube, ich habe noch nie einen Text so schnell gelesen. Und niemals ist es spannend gewesen wie jetzt, als ich das Tagebuch des letzten halben Jahres meines Bruders las. Ich konnte einfach nicht aufhören. Papa war bereits eingeschlafen. Ich las weiter. Und als ich das Tagebuch durchgelesen hatte, fühlte ich mich völlig ausgelaugt.
    Ich blätterte zurück, las einige Stellen noch einmal. Mein Puls hämmerte gegen die Schläfen, und ich glaube, ich fing an zu weinen.
    Ich musste auf die Toilette. Mein Gesicht sah im Spiegel völlig bleich aus. Meine Augen waren rot und geschwollen. Ich besprenkelte das Gesicht mit kaltem Wasser, um wieder zu mir zu kommen.
    Die Küchenuhr stand auf halb drei. Draußen begann es bereits hell zu werden.
    Ich löschte die Nachttischlampe und rollte mich unter der Bettdecke zusammen, schloss die Augen. Aber ich weiß nicht, ob ich wach lag oder schlief. Ich schloss die Augen, und die ganze Geschichte spulte sich in meinem Kopf wieder und wieder ab. Die Geschichte von meinem Bruder Princi und seinem Geliebten.

DREIZEHN
    »Wohin willst du, Paul ?« rief einer seiner Klassenkameraden.
    »Ich möchte rüber zu Sjölins. Dann nehme ich den Bus in die Stadt«, antwortete er. »Ich will noch was einkaufen. Wir sehen uns morgen .«
    Er schritt über den Schulhof und ging den Pfad runter zum großen Weg und zum Süßwarenladen.
    Gerade, als er den Türgriff berührte, wurde die Tür geöffnet.
    »Hallo!«
    Paul sah auf. »Hallo !« , sagte er und errötete.
    »Ich habe dich gerade im Klassenzimmer gesehen«, sagte der andere Junge.
    »Wie heißt du ?«
    »Paul.«
    »Ich heiße Petr .«
    »Petr?«
    Der andere lachte. »Ja, Petr. Allerdings sagen die meisten Peter. Sie finden, dass Petr abgehackt und komisch klingt. Das ist ein tschechischer Name. Oder besser gesagt, die tschechische Form von Peter. Ich komme von dort .«
    »Wie lange wohnst du schon hier ?« , fragte Paul.
    »Neun Jahre.«
    Sie schwiegen. Und Paul guckte auf den Boden.
    »Wolltest du nicht einkaufen ?«
    »Wie? Ach so, ja. Warte eben«, sagte Paul und ging in den Laden.
    Als er wieder herauskam, fühlte er sich etwas ruhiger. Und Petr stand noch da und wartete auf ihn.
    »Gehst du nach Hause ?« , fragte er und bot Petr ein Sahnebonbon an.
    »Weiß nicht. Ich glaube schon. Was hast du noch vor ?«
    »Ich wollte in die Stadt fahren. Ich habe nichts Bestimmtes vor. Einfach ein bisschen rumlaufen .«
    »Können wir dann gemeinsam gehen ?«
     
    »Wir könnten

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