Paula geht
Absatz vor der Haustüre und räusperte sich. „Da ist noch etwas, das Sie wissen müssen. Die Besitzerin, die vor wenigen Monaten gestorben ist, hat testamentarisch verfügt, dass das Haus nur an jemand verkauft werden darf, der die drei Ziegen übernimmt und ihnen ‚das Gnadenbrot‘ gibt.“ Unsicher sah sie zu Paula. Paula nickte bedächtig. Ziegen also, warum nicht? Sie sah sich schon Ziegenkäse in der lichtdurchfluteten Küche zubereiten. Aber ‚Gnadenbrot‘ hörte sich vielleicht doch nicht nach Ziegenmilch an. Und passten Ziegen und ein Hund zusammen?
„Wollen Sie es trotzdem anschauen?“
„Ja, aber natürlich.“
Die Maklerin schüttelte den Kopf und schloss auf. Alles schien noch unberührt zu sein, so wie es die alte Dame bei ihrem Ableben hinterlassen hatte. Paula ging andächtig durch die verdunkelte Wohnung und zog die Vorhänge zurück. Sie seufzte hörbar vor Erleichterung, weil das Haus im Vergleich zu dem vorherigen einen ungleich bewohnbareren Eindruck machte. „Wissen Sie, wer die Vorbesitzerin war, können Sie mir etwas über sie erzählen?“
Die Maklerin schüttelte ungeduldig den Kopf. „Fragen Sie die Nachbarn. Hier kennt doch jeder jeden. Möchten Sie noch nach oben schauen?“
Paula nickte und merkte, wie sie innerlich zur Ruhe kam. Irgendwie spürte sie eine innere Verbindung zu dieser alten Dame und zu ihrem Haus.
Sie stiegen die steile Treppe hinauf. Oben gab es nochmal drei Zimmerchen. Platz würde sie genug haben. Sicher war alles alt und vermutlich seit vierzig oder mehr Jahren nicht mehr renoviert. Dennoch konnte sich Paula vorstellen, dass es sich hier leben ließ. Sie drehte sich zur Maklerin um. „Wäre es möglich, dass Sie mich für ein bis zwei Stunden hierlassen, alleine meine ich, und mich dann wieder abholen, damit ich mir das Haus in Ruhe ansehen kann?“
Die Maklerin kniff den Mund zusammen. „Nein, das ist bedauerlicherweise nicht möglich. Ich habe heute noch mehr Termine.“ Und schnippisch fügte sie hinzu: „Es gibt bereits zwei weitere Interessenten, da können wir hier nicht noch mit Ihnen eine extra Behandlung machen.“
So eine dumme Gans, dachte Paula und baute sich in voller Größe vor ihr auf. „Die zwei Interessenten nehme ich Ihnen nicht ab. Hier vor Ihnen steht eine ernsthafte Interessentin. Lassen Sie mich jetzt für eine halbe Stunde im Haus allein. Dafür erspare ich Ihnen auch, das letzte Haus mit mir anzuschauen. Aber bitte gehen Sie jetzt.“
Die Maklerin stöckelte beleidigt davon und Paula sah sie in ihr Auto steigen, mit ihrem iPhone hantieren und hektisch Unterlagen durchblättern.
Zufrieden drehte sich Paula um ihre eigene Achse. Immerhin – die Krankenhausautorität hatte sie noch nicht verlernt, aber bisher selten im sonstigen Leben so erfolgreich angewendet. Während sie die altbackene Einrichtung der dunklen Spanplattenmöbel musterte, erstand vor ihrem inneren Auge ein ganz anderes Bild. Sie sah sich selbst pfeifend durch das Haus gehen, alles sah sehr bunt und fröhlich aus, so dass sie sofort richtig gute Laune bekam und das Haus noch wohlwollender musterte.
Auch der Blick aus der Küche war sehr schön. Da das Haus am Ende der Straße stand, konnte sie über eine Wiese in die Weite schauen. Direkt dahinter sah sie einen der zahlreichen Seen glitzern, auf den sogar ein Steg zuführte. Sie bahnte sich mit ihrer Taschenlampe den Weg in den Keller. Dort fand sie eine Batterie an Einmachgläsern vor, gefüllt mit den unterschiedlichsten Gartenprodukten. Herzlichen Dank, liebe Vorbesitzerin, dass du so vorausschauend warst und vielleicht selbst nicht viel Geld hattest. Die Ölheizung war Modell Asbach Uralt. Die Verkabelung lag häufig über Putz und wirkte italienisch improvisiert. Der Strom schien abgeschaltet, so dass sich nichts tat, als Paula einen Lichtschalter betätigte.
Wie liebend gerne hätte sie jetzt einen Fachmann bei sich gehabt, der Hop oder Top signalisiert hätte. Aber ihre vorsichtige Anfrage bezüglich der Kosten einer Hausschätzung bei einem Frankfurter Gutachterbüro hatten die spöttisch mit den Worten abgetan: „Frau Sommer, wenn Sie ein Haus für sechstausend Euro kaufen wollen und der Gutachter würde tausend kosten, dann sollten Sie dieses Geld lieber in ein Haus für siebentausend Euro investieren.“ Von dieser Seite war also keine Hilfe zu erwarten gewesen.
Also, Paula, jetzt geht’s aufs Ganze. Willst du dieses Prachtstück mit Ziegen kaufen und ihm treu sein bis ans Ende deiner
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