Paula geht
Tage?, fragte sie sich feierlich, nun am wackeligen Küchentisch sitzend. Ja, ich will, altes Haus , sprach sie laut in die staubige Luft und fühlte, dass sich das Haus sogleich mit einem Hauch Geborgenheit revanchierte. Sie schüttelte lächelnd den Kopf über sich selbst und stand auf, um noch den Garten zu besichtigen und das Dach von unten zu mustern, da sie die Speichertür nicht aufbekommen hatte, aber sie merkte, dass ihre Entscheidung bereits gefallen war.
Die Maklerin tippte ungeduldig auf ihre Armbanduhr. Paula nickte gnädig und schob sich an den Ziegen vorbei hinter das Haus. Die alte Dame musste bis kurz vor ihrem Tod noch sehr rüstig gewesen sein. Der Gemüsegarten schien gepflegt, es wuchs noch Feldsalat und einige Rosenkohlröschen hingen vergilbt an ihrem Stamm. Hier konnte sie sich austoben, das war die Hauptsache. Die Ziegen durften anscheinend nicht hinein, sondern hatten ein anderes, mit einem improvisierten Zaun abgetrenntes Stück, das zum Stall hinführte. Vielleicht kümmerte sich ein freundlicher Nachbar derzeit um sie? Jetzt warf sie, so gut es ging, einen Blick auf das Dach. Viel zu sehen war nicht, aber es war geziegelt und nicht nur mit Dachpappe versehen, wie so manche der Häuser, die sie bisher angeschaut hatte.
Sie gab sich einen Ruck. Du hast dich doch sowieso bereits entschieden, da wird auch das Dach noch ein bisschen durchhalten, sagte sie sich und stiefelte wieder zum Auto der Maklerin. Die sah säuerlich zu, wie Paula ihre dreckverklumpten Schuhe neben der Autotür abklopfte, bevor sie sich wieder auf den Beifahrersitz schwang. „Ich nehme es“, sagte sie und konnte das Lächeln gar nicht mehr aus ihrem Gesicht bekommen, so sehr freute sie sich.
„Tatsächlich?“ Die Maklerin wirkte verwirrt. „Dann fahren wir jetzt in unser Büro, den Vertrag aufsetzen?“
Paula nickte und sagte auf der ganzen Fahrt nach Penzlin kein Wort mehr, weil sie sonst hätte singen müssen.
Kapitel 5
Paula lauschte aufgeregt auf das Tuten des Telefons. Seit ihrer Entscheidung für das Haus letzte Woche hatte sie so viel Energie, dass sie gar nicht wusste, wohin damit. Die Kisten waren gepackt und blockierten den Tiefgaragenstellplatz ihrer Mutter, der Sprinter für den Umzug bestellt, aber nun hatte sie noch ein paar Tage Zeit. Derzeit campierte sie bei ihrer Mutter auf der Couch, da kein passender Housesitting-Auftrag mehr zu finden gewesen war.
„Bettina Christen“, meldete sich da endlich eine Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Hallo Bettina, hier ist Paula – erinnerst du dich, die Nachtkollegin aus Frankfurt.“
„Hey, Paula, das ist ja nett, dass du dich meldest. Wie geht’s dir denn?“
„Prima so weit. Ich habe allerdings vor ein paar Monaten gekündigt und werde jetzt in den Norden ziehen. Richtung mecklenburgische Seenplatte, da hab ich ein kleines Haus erstanden. Sag mal, du hast doch damals nebenbei die Heilpraktikerprüfung gemacht? Würdest du die Prüfung nochmal machen?“
„Ich hab sie ja viermal gemacht, jetzt reicht’s wirklich.“ Bettina lachte. „Sie ist so schwer, das glaubst du gar nicht, trotz meiner Vorkenntnisse musste ich richtig büffeln.“
„Ich hab mir auch ein paar Fragen angeschaut. Vermutlich ist es so schwierig, weil jede Antwort und keine richtig sein können. – Hat es dir denn auch Spaß gemacht? Ich stelle mir so vor, dass man da auch andere medizinische Richtungen kennenlernt, Naturheilkunde, chinesische Medizin, Homöopathie und so.“
„Bei meiner Ausbildung war das alles nur so angerissen. Ich vermute, du musst extra Kurse belegen. Und klassische Homöopathie lernst du sowieso besser an den homöopathischen Instituten. Aber die Grundlage zur Anwendung und Berufsausübung ist nun mal das Nadelöhr Heilpraktiker. Hast du vor, einen Kurs zu machen, oder willst du im Alleingang lernen?“
„Keine Ahnung, ob ich es überhaupt schaffe noch nebenbei. Vermutlich muss ich noch ziemlich viel an dem Haus machen. Aber vielleicht ist es ja ein guter Ausgleich, ein wenig Gehirntraining am Abend, so stelle ich mir das vor. Aber Geld für einen teuren Kurs habe ich definitiv nicht. Vielleicht melde ich mich bei so einem Online-Portal an.“
„Ich kann es mir jedenfalls gut vorstellen, dass du in dem Beruf hinterher arbeitest. Du warst schon immer ein unabhängiger Geist und ziemlich selbstständig in deinen Entscheidungen.“
Bettina war ja richtig nett, dachte Paula, als sie auflegte. War sie das damals auch schon gewesen
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