Pauline Reage - Geschichte der O
Blick auf und sie errötete: diese harten und hartnäckigen Hände, die von ihrem Körper Besitz ergriffen hatten, fürchtete und ersehnte sie jetzt. Aber er kam nicht näher.
»Ich möchte, daß Sie sich ganz ausziehen, sagte er. Aber zuerst legen Sie nur die Jacke ab, nicht aufstehen.« - O löste die großen, vergoldeten Schließen, streifte das knappe Jäckchen von den Schultern und legte es ans andere Sofaende zu ihrem Pelz, ihren Handschuhen und ihrer Tasche. »Streicheln Sie die Spitzen ihrer Brüste«, sagte Sir Stephen und fügte hinzu: »Sie müssen eine dunklere Schminke auflegen, die Ihre ist zu hell.«
Verblüfft strich O mit den Fingerspitzen über ihre Brustwarzen, die hart wurden und sich aufrichteten und wölbte dann ihre Hand darüber. »Ah! Nein«, sagte Sir Stephen.
Sie zog die Hände zurück und ließ sich gegen die Rückenlehne des Sofas sinken: ihre Brüste waren schwer für den schmalen Oberkörper und spreizten sich sanft zu den Achseln hin. Ihr Nacken ruhte auf der Lehne, ihre Hände lagen rechts und links von ihr. Warum neigte Sir Stephen nicht den Mund über sie, streckte nicht die Hand nach den Spitzen aus, von denen er gewünscht hatte, daß sie sich aufrichteten und die O nun, so reglos sie auch verharrte, bei jedem Atemzug erzittern fühlte.
Aber er war näher gekommen, saß schräg auf der Armlehne des Sofas, rührte sie jedoch nicht an. Er rauchte, und mit einer Handbewegung, von der O nicht zu sagen vermocht hätte, ob sie absichtlich war oder nicht, staubte er ein wenig fast glühende Asche zwischen ihre Brüste.
Sie hatte das Gefühl, daß er sie beleidigen wollte durch seine Verachtung, durch sein Schweigen, durch die Nonchalance seiner Haltung. Und doch hatte er sie vorhin begehrt, begehte er sie jetzt noch, sie sah, wie er sich spannte unter dem weichen Stoff seines Morgenrocks. Warum nahm er sie nicht und wäre es auch nur, um sie zu verletzen? O haßte sich wegen ihres eigenen Begehrens und haßte Sir Stephen wegen seiner Selbstbeherrschung.
Sie wollte, daß er sie liebte, das war die Wahrheit, daß er darauf brannte, ihre Lippen zu berühren und ihren Leib zu durchdringen, daß er sie, wenn nötig, verwüstete, aber daß er ihr gegenüber nicht seine Ruhe bewahren könne, seine Lust beherrschen. In Roissy war es ihr gleichgültig gewesen, ob die Männer, die sich ihrer bedienten, irgendein Gefühl für sie aufbrachten: sie waren die Instrumente.
durch die ihr Geliebter Lust an ihr empfand, durch die sie wurde, wie er sie haben wollte, glattpoliert wie ein Kiesel.
Die Hände dieser Männer waren seine Hände, ihre Befehle waren seine Befehle. Hier nicht. Rene hatte sie Sir Stephen übergeben, aber es war klar, daß er sie mit ihm teilen wollte, nicht um selbst mehr von ihr zu haben, sondern um mit Sir Stephen das zu teilen, was er heute am meisten liebte, so wie die beiden zweifellos in ihrer Jugend eine Reise geteilt hatten, ein Schiff, ein Pferd. Sie selbst war bei dieser Teilung weniger im Spiel als Sir Stephen, jeder würde in ihr das Zeichen des anderen suchen, die Spur, die der andere zurückgelassen hatte. Vorhin, als sie halbnackt vor ihm gekniet war und Sir Stephen mit beiden Händen ihre Schenkel geöffnet hatte, hatte Rene Sir Stephen erklärt, warum Os Lenden so bequem waren und wie froh er sei, daß man sie so vorbereitet hatte; er wisse ja, wie angenehm es Sir Stephen sei, über diesen, von ihm bevorzugten Weg beliebig verfügen zu können.
Er hatte hinzugefügt, wenn Sir Stephen das wünsche, werde er ihm die alleinige Benutzung überlassen. »Aber gern«, hatte Sir Stephen gesagt, aber hinzugefügt, daß er O wohl trotz allem verwunden würde.
»O gehört Ihnen, hatte Rene geantwortet, O wird glücklich sein, von Ihnen verwundet zu werden.« Und er hatte sich über sie gebeugt und ihre Hände geküßt. Schon der Gedanke, daß Rene auf einen Teil ihres Körpers verzichten könnte, hatte O in Bestürzung versetzt. Es bedeutete für sie, daß ihrem Geliebten an Sir Stephen mehr lag als an ihr. Er hatte ihr immer wieder gesagt, daß er in ihr das Objekt liebe, zu dem er sie gemacht hatte, die absolute Verfügungsgewalt über sie, die Freiheit, mit der er über sie bestimmen konnte, wie man über ein Möbel bestimmt, das man zuweilen ebenso gern oder noch lieber verschenkt, wie für sich behält.
Dennoch spürte sie jetzt, daß sie ihm nie ganz geglaubt hatte. Für das, was man kaum anders als Unterwürfigkeit gegenüber Sir Stephen nennen konnte, sah
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