Pauline Reage - Geschichte der O
Schenkel und Brüste zogen. »Was hast du denn da?« sagte sie.
Das war Sir Stephen«, erwiderte O, und wie etwas ganz Selbstverständliches fügte sie hinzu: »Rene hat mich ihm geschenkt und er hat mir eine Plaquette mit seinem Namen anschmieden lassen. Schau her.« Und während sie sich mit ein Bademantel abtrocknete, trat sie so nah vor Jacqueline hin, die sich vor Staunen auf den lackierten Hocker gesetzt hatte, daß Jacqueline die Scheibe in die Hand nehmen und die Inschrift lesen konnte; dann ließ sie den Bademantel herabgleiten, drehte sich um und deutete mit der Hand auf das S und das H, das ihre Lenden höhlte, und sagte:
»Er hat mich auch mit seinen Initialen zeichnen lassen. Das übrige, das kommt von der Reitpeitsche. Gewöhnlich peitscht er mich selbst, aber manchmal läßt er mich auch von seiner schwarzen Dienerin auspeitschen.«
Jacqueline starrte O an, ohne ein Wort herauszubringen. O lachte, dann wollte sie Jacqueline umarmen. Jacqueline stieß sie entsetzt von sich und floh ins Schlafzimmer. O trocknete sich in aller Ruhe vollends ab, parfümierte sich, bürstete ihr Haar. Sie zog das Taillenmieder an, die Strümpfe, die Pantöffelchen und als sie nun durch die Tür trat, begegnete sie im Spiegel dem Blick Jacquelines, die sich geistesabwesend vor dem Spiegel kämmte. »Schnüre mir das Korsett«, sagte sie. »Du tust so überrascht. Rene ist in dich verliebt, hat er dir denn nichts gesagt?«
»Ich verstehe nicht«, sagte Jacqueline.
Und sie platzte sogleich mit dem heraus, was sie am meisten erstaunte: »Man könnte meinen, du wärst stolz darauf, ich verstehe das nicht.«
»Wenn Rene dich nach Roissy bringt, wirst du es verstehen. Hast du denn schon mit ihm geschlafen?«
Eine Blutwelle überströrnte das Gesicht Jacquelines, sie schüttelte den Kopf, aber so wenig überzeugend, daß O laut lachen mußte. »Du lügst, mein Herzchen, du bist dumm. Es, ist dein gutes Recht, mit ihm zu schlafen und das ist kein Grund, mich zurückzuweisen. Komm mit mir ins Bett, dann werde ich dir die Geschichte von Roissy erzählen.« Fürchtete Jacqueline eine stürmische Eifersuchtsszene, gab sie aus Erleichterung oder aus Neugier nach, weil sie von O Erklärungen hören wollte oder einfach weil sie die Geduld, die Bedächtigkeit, die Leidenschaft liebte, mit der O sie liebkoste? Sie gab nach.
»Erzähle«, sagte sie danach zu O. »Ja«, sagte O. »Aber zuerst mußt du mir die Brüste küssen. Es ist Zeit, daß du dich daran gewöhnst, Wenn du Rene von irgendeinem Nutzen sein willst.«
Jacqueline gehorchte, und so gut, daß sie O zum Stöhnen brachte »Erzähle«, sagte sie noch einmal.
Os Erzählung erschien Jacqueline trotz aller Genauigkeit und Klarheit, trotz des greifbaren Beweises, den O selbst darstellte, einfach phantastisch. »Im September gehst du wieder hin?«, sagte sie. »Wenn wir aus dem Süden zurückkommen«, sagte O. »Ich werde dich mitnehmen, oder Rene nimmt dich mit.«
»Anschauen möchte ich es mir schon einmal, sagte Jacqueline, aber nur anschauen.«
»Natürlich, das läßt sich machen«, sagte O, die vom Gegenteil überzeugt war, sich jedoch sagte, daß Sir Stephen ihr Dank wissen würde, wenn sie, O, Jacqueline dazu bringen könnte, die Schwelle von Roissy zu überschreiten - und danach würden die Diener, die Ketten und Peitschen dasein, um Jacqueline das Gehorchen zu lehren.
Sir Stephen hatte in der Nähe von Cannes eine Villa gemietet, wo sie den August verbringen sollte zusammen mit Rene, Jacqueline und deren kleiner Schwester, die, Jacqueline gebeten hatte, mitbringen zu dürfen - nicht, weil sie die Kleine gern hatte, sondern weil ihre Mutter ihr dauernd in den Ohren lag, sie solle O um Erlaubnis bitten - und sie wußte bereits, daß ihr Schlafzimmer, wo Jacqueline wohl zumindest die Fiesta mit ihr verbringen würde, wenn Rene nicht da war, von Sir Stephens Zimmer durch eine nur scheinbar solide Wand getrennt war, hinter deren Trompeloeil Dekorierung, einem durchbrochenen Lattenwerk, man nur einen Rollvorhang zu heben brauchte, um alles, was im Zimmer vorging so genau zu sehen und zu hören, als stünde man direkt vor dem Bett. Jacqueline würde Sir Stephens Blicken ausgeliefert sein, wenn O mit ihr im Bett lag, und sie würde es zu spät erfahren, um sich dagegen wehren zu können. O tat der Gedanke wohl, daß sie Jacqueline durch Verrat ausliefern würde, denn es kränkte sie, daß Jacqueline ihren Stand einer gebrandmarkten und gepeitschten Sklavin verachtete, auf
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