Pauschaltourist
vernünftige Alternative
an, und zum Fahren waren alle zu angeschickert, wobei Nina schon stark in Richtung Besoffensein tendierte, trotz der Dusch-
und Ausruhpause. An der Hotelrezeption hatte man erst uns und dann die AI-Bändchen an unseren Handgelenken angestarrt, als
wir nach einem guten
spanischen
Restaurant gefragt hatten.
»Gute spanische Küche gibt es hier«, hatte die Frau gesagt und mit den Fußsohlen geklackert, weil der Speisetrakt unterhalb
der Rezeption lag.
»Sie sind keine Spanierin, oder?«, hatte Nina gefragt, leicht lallend, aber die Antwort nicht abgewartet.
Als die Pizza kam, waren drei von vier Essern von der Qualität verblüfft – sie war nämlich wirklich lecker. Und immerhin gab
es spanisches Bier, San Miguel. Nina orderte gleich noch ein weiteres, als das erste gebracht wurde. Dafür ignorierte sie
die Pizza, und eigentlich auch alles andere. So schweigsam wie in dieser Stunde hatte ich sie überhaupt noch nicht erlebt.
Mein Telefon summte in der Hemdtasche los, und ich erschrak, weil das eigentlich nur Silke sein konnte, mit der zu sprechen
ich noch weniger Lust hatte als auf einen Saunaabend mit Manfred und seiner Frau. Ich zog das Gerät vorsichtig aus der Tasche,
als würde |80| das etwas ändern, aber zu meiner Verblüffung wurde die Redaktionsnummer angezeigt. Es war kurz nach halb zehn.
»Ja?«, fragte ich vorsichtig.
»Sender, mein Junge, wie läuft es?«
»Gut«, behauptete ich und sah Nina an, die vergeblich versuchte, ihrem Bierglas eine Melodie zu entlocken, indem sie mit einem
speichelnassen Finger stoisch die Kreisform des Randes nachzog.
»Schon was geschrieben?«
»Wir arbeiten am Konzept.«
Sitz’ Zahnlücke ertönte. »Also nein.«
»Doch«, widersprach ich und beschloss zu improvisieren. »Wir denken an einen etwas überspitzten Bericht, dicht an der Satire,
ohne konkrete Nennung von Schauplätzen, quasi episodisch.«
»Aha. Muss ich mir da etwas drunter vorstellen können?«
Ich sah wieder zu Nina, hilfesuchend, aber die schien sich in ihr Glas verliebt zu haben. Ihr Blick tendierte ins Wässrige.
Also fasste ich aus dem Stegreif die Handtuchepisode vom Nachmittag zusammen. Zu meiner Überraschung lachte der Chefredakteur.
»Kein Heuler, aber ein guter Ansatz. Die Richtung gefällt mir. Aber wir brauchen auch Fakten. Sonst fühlen sich die Leser
verarscht.«
»Klar doch. Wie gesagt, wir sind quasi aus der Konzeptionierungsphase raus.«
»Ich brauch eine Fassung am Sonntag. Der erste Artikel der Reihe ist für die nächste Ausgabe angekündigt.«
Ich dachte das »Oh« nur und nickte stumm in den Hörer. Weil Sitz nichts sagte, ließ ich mich zu »Schaffen wir« hinreißen.
»Gut. Ich baue auf Sie. Was macht Frau Weltreisen?«
Nina schien immer noch nicht gepeilt zu haben, mit wem ich telefonierte.
»Ist schon zu Bett. Wir wollen morgen in aller Frühe eine Tour durch die Hotels in Maspalomas machen.«
|81| »Mein Beileid. Ist es dort wirklich so, wie ich befürchte?«
»Schlimmer.«
Er kicherte. »Nein. Ehrlich?«
»Absolut.«
»Ist dieser blöde Köter eigentlich dabei?«
Ich dachte an »Heino, sitz!« und sah Janet an, um mich davon abzulenken. Wenn diese Frau nicht so fürchterlich sächseln würde,
wäre sie ein manifestierter Männertraum. Nico stand auf und erklärte in Zeichensprache (Hand im Schritt, Zeigefinger ausgestreckt),
dass er aufs Klo müsse. Nina erhob sich im gleichen Moment und sagte ziemlich laut »Ich haue ab«, wobei ich es noch rechtzeitig
schaffte, das Mikrofon mit der Hand abzudecken.
»Sind Sie noch da?«, fragte Sitz.
»Bimbo ist dabei, aber ich glaube, er verkraftet die Hitze nicht«, antwortete ich verspätet, als Nina umständlich die Tür
passiert hatte.
»Die Welt würde nichts vermissen, wenn dieser Köter krepiert«, sagte Sitz. Ich wiegte den Kopf hin und her, irgendwie hatte
ich mich sogar an den hässlichen Pudel gewöhnt.
»Sicher.«
»Na gut. Sonntag, wie gesagt. Wir sind alle schon sehr gespannt. Coverstory.«
»Was?«
»Ganz oder gar nicht. Überraschen Sie mich. Der Volontär macht seine Sache gut. Für die Rätselseite brauch ich Sie jedenfalls
nicht mehr.«
Und dann war die Verbindung weg.
»Schlechte Nachrichten, no?«, fragte Janet und legte ihre rechte Hand auf meine linke. Dass sie gleichzeitig in Richtung Klo
sah, um zu prüfen, ob Nico schon fertiggepinkelt hatte, verwirrte mich reichlich. Ich sah ihre unfassbar feingliedrigen Finger
an, dann
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