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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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von Horizont zu Horizont reichende Knäuel aus dahingeworfenen
     Zweckbauten an, das Playa del Inglés und San Augustin bildete. Die Hotels standen dicht an dicht, und dazwischen gab es Einkaufszentren,
     Discos noch und nöcher, massenweise Restaurants mit geklonten Speisekarten (einige davon sogar mit Blitzlichtfotos der Speisen,
     was so widerwärtig aussah, dass einem davon übel werden konnte) und Läden, in denen man Luftmatratzen und Schnorchelausrüstungen
     für Preise kaufen konnte, die vermutlich selbst in Sibirien unerreicht waren. Möglich auch, dass man hier schlicht vergessen
     hatte, in Euro umzurechnen. Einige Straßen hatten die Namen deutscher Städte wie Hamburg, Hannover und München.
    »Man kann den Spaniern wenigstens nicht vorwerfen, dass sie halbe Sachen machen«, stellte meine Kollegin zusammenfassend fest.
     Wir saßen in einer Bierbar mit dem Namen »Bei Ina« und tranken eisiges Krombacher aus Halblitergläsern. Eine Phalanx |72| Lautsprecherboxen beschallte uns mit dem aktuellen »Fetenhits«- Sampler , aber dafür war es kühler als auf der Straße. Gegen das debile Fump-Fump-Fump der Lautsprecher brüllten und lachten mehrere
     Gruppen junger Menschen an, die um Tische saßen, auf denen kein Platz für weitere Gläser mehr war. Nina und ich gehörten in
     diesem Laden zum alten Eisen. In einer Ecke stand ein Flipper, aber ich war zu fertig für derlei, obwohl ich leidenschaftlich
     gerne flipperte. Die Wanderung durch diese glühende Betonwüste hatte es fast geschafft, das gute Gefühl, das die vergangene
     Nacht bei mir hinterlassen hatte, einzudampfen. Meine Kollegin schwitzte stark und verlangte bereits nach dem zweiten Bier,
     meines war noch halb voll. Bimbo lag unterm Tisch und hechelte so laut, dass es trotz der bummernden Deppentechno-Version
     des Songs vom knallroten Gummiboot zu hören war.
    »Ich denke, hier wird jeder Euro verdient, der sich verdienen lässt.« Ich sah zum Nachbartisch, an dem sich ein etwa sechzehnjähriges
     Mädchen zur Freude ihrer männlichen Begleiter Bier über das T-Shirt gekippt hatte, die jetzt folgerichtig »Ausziehen! Ausziehen!«
     skandierten. »Jeder bebaubare Zentimeter ist bebaut, was die Leute kaufen würden, wird angeboten, wobei Preise oder Qualität
     keine Rolle zu spielen scheinen. Und das Ambiente erst recht nicht. Okay, hier scheint die Sonne, es gibt Meer, und es ist
     warm. Aber mehr Gründe dafür, hierherzufahren, fallen mir, ehrlich gesagt, nicht ein. Es sei denn, man legt großen Wert darauf,
     dass auch viertausend Kilometer von der Heimat entfernt noch fließend Deutsch gesprochen wird. Ich muss pausenlos an diesen
     alten Loriot-Sketch denken, in dem eine Familie durch ein Neubaugebiet schlurft und das Meer nicht findet. Ohne Birgit hätten
     wir es auch nicht gefunden.«
    »Und es ist nicht einmal billig.« Ina, eine grobschlächtige Dortmunderin mit Damenbart, brachte Ninas zweites Bier und sah
     sie dabei böse an, weil sie vermutlich annahm, Nina hätte die Bierpreise gemeint. Meine Kollegin zwinkerte und schüttelte
     zur Klarstellung den Kopf.
    |73| »Die Reise selbst dürfte vergleichsweise günstig sein.«
    »Na ja, unsere Last-Minute-Tickets haben über achthundert Euro pro Nase gekostet. Für eine Woche.«
    »Stimmt schon, aber die Kanaren sind ja auch kein echtes Billigreiseziel.«
    »Sie sehen aber so aus«, moserte Nina und sah zum Fenster, an dem eine Gruppe älterer Menschen vorbeischlurfte, die Köpfe
     mit zusammengeknoteten Taschentüchern bedeckt. Einige Männer trugen Fotoapparate am Band um den Hals. Analoge Fotoapparate.
     Der Song vom roten Gummiboot endete, dafür begann eine Art Schlager, in dem es um Lassos, Cowboys und Indianer ging. Ich kannte
     dieses Lied. Silke hatte mich vor zwei oder drei Jahren zum Skifahren überredet, und in einer Après-Ski-Hütte waren die Gäste
     zu diesem Song total abgegangen. Shit, jetzt war meine Stimmung völlig im Eimer.
    »Ich habe keine Ahnung, was wir schreiben sollen«, erklärte Nina und trank auch das zweite Bier in einem Zug aus.
    »Ich lass mir was einfallen«, schlug ich vor. »Übrigens solltest du langsam mal die Fotoausrüstung auspacken.«
    Nina hustete den Qualm der Zigarette aus, die sie sich gerade angesteckt hatte. »Heilige Scheiße, stimmt ja.«
    »Weißt du was«, sagte ich und streckte mich. »Wir fahren jetzt ins Hotel zurück und legen uns an den Pool.«

|74| 6.
    Wir umrundeten die Poolanlage zweimal, was jeweils eine Viertelstunde

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