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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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Beste aus der Sache zu machen. Das Beste hieß Janet und presste in diesem
     Moment ihren Traumkörper kräftiger an mich.
    »Drauf geschissen«, sagte ich kryptisch, eine Äußerung meiner Kollegin wiederholend, die das vermutlich kaum zu begreifen
     in der Lage war, kippte meinen Whiskey runter, lehnte mich meinerseits an Janet und hauchte ihr »Gehen wir halt noch mal ficken,
     no« ins Ohr, wodurch meine Vögelbilanz von nur zwei Tagen die gesamte des Vorjahres in den Schatten stellen würde. Janet wiederholte
     ihr Papstaudienzstrahlen und zog mich in Richtung Fahrstuhl. »Schreib das aufs Zimmer«, rief ich Chico noch zu, aber der war
     seinerseits im Geiste schon damit beschäftigt, der Völkerverständigung einen neuen Aspekt hinzuzufügen. Dann fiel mir ein,
     dass diese Aufforderung sowieso blödsinnig war. All inclusive.
     
    Janet verschwand im Bad und kehrte mit zwei Wassergläsern zurück, von denen sie mir eins reichte. »Gegen den Brand, no«, strahlte
     sie.
    »Ich muss das nicht verstehen, oder?«, sagte ich leise. »Ich meine, dein Nico ist mehr als zehn Jahre jünger als ich, und
     er sieht objektiv ziemlich gut aus.«
    Sie lächelte nur, und ich trank mein Wasser.

|85| 8.
    Am nächsten Morgen, der Wecker zeigte kurz nach halb elf, mein Schädel wog in etwa so viel wie ein (vollgetankter) Panzer
     des Typs »Leopard II«, begriff ich es. Janet war weg, und das galt auch für meine Maurice-Lacroix-Uhr, den Laptop, die sechshundert
     Euro, die ich überflüssigerweise am Geldautomaten geholt hatte, den iPod und eine von meinen Armani-Jeans, die neuere von
     beiden, die ich noch nicht getragen hatte. Immerhin waren die Kreditkarten, mein Ausweis und das Telefon noch da. Summa summarum
     hatte mich der Sex mit dem sächsischen Engel knappe zweieinhalbtausend Euro gekostet. Auf dem Tisch, den wir auch noch für
     ambulante Begattung genutzt hatten, lag ein Briefbogen des Hotels. In ungelenken, weil vermutlich mit der falschen Hand geschriebenen
     Blockbuchstaben stand da: »Nicht böse sein. Hat wirklich Spaß gemacht mit Dir.« Darunter befand sich ein gekrakeltes Herz.
     So sah das meinige in diesem Moment wohl auch aus.
    Ich trank zwei Liter Salzwasser aus dem Hahn und quälte mich durch einen viel zu heißen Duschgang, der meinen Kopf allerdings
     um drei oder vier Tonnen erleichterte und die Nachwehen der K.-o.-Tropfen fast beseitigte. Dann ging ich zur Rezeption und
     versuchte zu ermitteln, ob dieses Pärchen überhaupt hier gewohnt hatte, aber es war aussichtslos. Ich erklärte, was geschehen
     war, und die ruppige Mitarbeiterin, die uns vor ein paar Tagen noch wegen der Last-Minute-Buchung in einer Abstellkammer hatte
     parken wollen, suchte sogar nach den Vornamen, fand aber nichts.
    »Die sind wahrscheinlich schon abgeflogen«, sagte sie und legte einen Gesichtsausdruck auf, der fast mitfühlend wirkte. »Die
     ersten Flieger zu Deutschland gehen sechs Uhr, manchmal früher.«
    |86| Ich würde trotzdem zur Polizei gehen müssen, um wenigstens eine minimale Chance auf Versicherungsgeld zu wahren. Eine SMS
     informierte mich darüber, dass Nina an der Poolbar auf mich wartete. Ich schlenderte in die Richtung und ärgerte mich währenddessen.
     Vor allem über mich selbst. Ich hätte einen Zimmersafe mieten sollen (fünfzehn Euro extra pro Tag), ich hätte Verdacht schöpfen
     müssen. Die Gegenstände waren ersetzbar, aber die geklaute Hose nervte mich, weil ich extrem ungern Klamotten einkaufen ging
     – und meistens mehrere Stunden brauchte, um passende zu finden. Der Laptop enthielt nichts Wichtiges und war zudem so verschlüsselt,
     dass niemand etwas mit ihm würde anfangen können. Die Dokumente, die Musik und mein Mailkrempel wanderten regelmäßig auf eine
     virtuelle Festplatte im Netz. Die Uhr hatte ich gemocht, die sechshundert Steine irgendwie auch. Lehrgeld. Ich kickte gegen
     einen großen Kieselstein, der in hohem Bogen davonflog und ein fünfjähriges Gör im Kinderbecken nur haarscharf verfehlte.
     Dutzende Augenpaare drehten sich zu mir, aber ich tat so unschuldig wie möglich, indem ich mich in die gleiche Richtung umdrehte.
     Wo niemand war.
    Nina hatte schon wieder ein Bier vor sich stehen, möglicherweise nicht mal das erste, und der Vormittag war noch nicht ganz
     vorüber. Sie sah derangiert aus, blass und verwuschelt, unter ihren Augen hingen fingerdicke schwarze Ringe, und die Hand
     mit der Zigarette zitterte. Ihre Fahne hätte man auch auf dem Mond aufstellen

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