Pauschaltourist
in ihr lächelndes Engelsgesicht, das selbst die Geronten aus unserem Hotel zum Träumen gebracht hätte, und beugte
mich ganz leicht in ihre Richtung, wobei ich nickte und ein mitleidheischendes Gesicht |82| aufsetzte. Sie drehte sich nochmals kurz um, wieder zu mir, und dann küsste sie mich. Kurz, aber gefühlvoll. Beide Berührungen
endeten gerade noch rechtzeitig. Nico nahm Platz und fragte, wo wir den Abend fortsetzen würden. Ich schwieg und winkte dem
Kellner, und während ich die Rechnung zahlte, diskutierten die beiden, dass Nico jede Menge Böcke auf Tanzen und Um-die-Häuser-Ziehen
hätte, wohingegen Janet Müdigkeit vortäuschte.
»Was ist mit dir?«, fragte er mich.
»Ich bin durch«, antwortete ich.
»Bringst du die Kleine noch ins Hotel?«
Ich nickte.
»Danke, Kumpel, no.«
Er küsste Janet auf die Wange, ging in die andere Richtung, während sein Mädchen und ich die trostlose Allee entlangspazierten,
an der sich irgendwo unser Hotel befand. Sie drehte sich mehrfach um, und als Nico außer Sicht war, griff sie nach meiner
Hand. Mein Blut schoss in den Schritt, und ich musste heftig dagegen ankämpfen, sie sofort in die Büsche zu zerren. Meine
Verwirrung war mehrdimensional. Immerhin war ich in den vergangenen Jahren, den Silke-Jahren, die jetzt, verdammtnocheins,
vorbei waren, außer bei Frau Medsger (unfreiwillig) niemals auf die Idee gekommen, meinen Marktwert zu prüfen, der offenbar
höher war, als ich geglaubt hatte. Janets Finger umspielten meinen Handballen. Als wir vor dem Hotel angekommen waren, fragte
ich:
»Und jetzt?«
»Ficken, no.« Dabei strahlte sie, als befände sie sich bei einer Privataudienz des amtierenden Papstes.
Also fickten wir. Im Fahrstuhl, in der Lichtschranke der Tür, im siebten Stock, ohne Kondom, Kleid-hoch-Hosen-runter, und
mit gutem Blick auf den endlosen Gang, von dem fünf Millionen Türen abgingen. Danach in meinem Zimmer, erst in der Dusche,
dann im Bett und schließlich auf dem Balkon, weil Janet das so |83| wollte, der ich ein ums andere Mal die Hand auf den Mund legte, auf dass sie das wundervolle Erlebnis keinesfalls durch einen
gesächselten Kommentar zerstörte. Nach insgesamt einer knappen Stunde waren wir fertig, fertig mit der Welt, duschten zusammen
und gingen dann an die Hotelbar. Da saß Nina an ihrem geschätzt vierzigsten Bier dieses Tages und baggerte Chico an.
»Ihr seht nach Sex aus«, sagte sie leise und ohne Mimik, dann widmete sie sich wieder ihrem Drink.
»Scheiße«, sagte Janet und lächelte mich dabei auf eine Art an, die meinen glühenden Stöpsel wieder in die Senkrechte rückte.
Chico brachte Wodka-Tonic für meine Begattungspartnerin und einen dreistöckigen Jack Daniel’s für mich. Während wir uns zuprosteten,
schob Janet ihr weißes Kleidchen mit der linken Hand so weit hoch, dass ich den halbdurchsichtigen Slip sehen konnte. In meinem
Kopf pochte es. Dann stand Nico plötzlich neben uns. Seine Freundin schaffte es gerade noch, die Hand vom Saum zu nehmen,
aber er schien nichts bemerkt zu haben. Als er sie auf die Wange küsste, spürte ich einen Stich in der Herzgegend. Janet sah
mich fest an, dann Nico, und anschließend zog sie ihn beiseite. Während die beiden in etwa drei Metern Entfernung leise, aber
energisch etwas diskutierten, das bittebittebitte nichts mit mir zu tun hatte, sagte Nina: »So ist das im Urlaub.« Dann drehte
sie sich zu Chico, der ohnehin die meiste Zeit erwartungsvoll vor uns stand, und fragte ihn, wann er Feierabend hätte.
Nico und Janet kehrten zurück, Nico war blass.
»Arschloch«, sagte er zu mir und deutete eine Boxbewegung in Richtung meiner Brust an. Dann zwang er sich ein Lächeln ins
Gesicht. »Aber, hey, der Liebe darf man nicht im Weg stehen, no.« Er drehte sich auf dem Hacken um und verschwand.
»Ich fass es nicht«, sagte Nina und sprach damit aus, was ich dachte.
»Im Urlaub kann alles passieren, no«, orakelte Janet und kuschelte sich an mich. Jo, Urlaub. Dabei hatte ich überhaupt keinen. |84| Dies hier war Arbeit. Eigentlich. Aber irgendwie, weiß der Geier. Natürlich hatte ich nicht vorgehabt, das vermutlich extrem
diffizile Sexleben der Zwickauer zu boykottieren, aber ich hatte auch nicht geplant, per Telefon zum Single gemacht zu werden.
Ich sah der schwer in den Seilen hängenden Nina und einem grenzenlos verblüfften Chico dabei zu, wie sie auf dem Tresen die
Hände ineinander verschränkten, und beschloss, das
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