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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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warum ich Filme von den Cohen-Brüdern
     mochte, aber keine von Woody Allen, die mir Pudding kochte, obwohl ihr schon beim Gedanken daran übel wurde. Eine, deren Nippel
     nicht schöner oder hässlicher waren als die von Marejke Medsger, aber das änderte nichts daran, dass mein Hirn im Moment ausschließlich
     damit beschäftigt war, Phantasien zu erschaffen, in denen neben meinem Mund und meinen Händen Marejke Medsgers Brüste eine
     Rolle spielten, und nicht die von Silke, meiner Freundin. Ich setzte ein dämliches Grinsen auf und verbeugte mich auf peinliche
     Art. Zu meiner Entschuldigung konnte ich vorbringen, dass es zwischen Silke und mir derzeit still kriselte, aber nichts in
     mir kam überhaupt auf die Idee, sich für irgendwas zu entschuldigen.
    Heino Sitz nickte mir zu und sagte etwas wie »Kümmern Sie sich um meine Frau«, aber auch das war möglicherweise nur Wunschdenken.
     Jedenfalls verschwand er wieder, und der feuchte Traum in blickwinkelabhängig-transparenter Abendrobe stand weiter vor mir.
     Wie nur konnte man so gekleidet auftreten, ohne gleichzeitig eine Uzi im Anschlag zu halten? Ich war versucht, erneut in die |12| Knie zu gehen, an irgendeiner Kiste herumzupopeln, um den beeindruckenden Effekt abermals zu erleben, aber die Fünf-Sterne-Frau
     vor mir hätte den Braten sicher gerochen.
     
    Ich wusste nur, was alle wussten. Geboren in Holland, ärmliche Verhältnisse, dann quasi von der Straße weggecastet, weltweit
     nachgefragtes Model innerhalb weniger Monate. Ein paar Skandale, vielleicht auch nur Skandälchen, ich las nicht einmal die
     Yellow Press aus
unserem
Haus. Von ihrer angeblichen Nymphomanie aber wusste selbst ich. Anschließend Vee-Jayne bei einem Musiksender, dann, zwei Jahre
     später, das plötzliche Ende der Karriere, geheimnisumwittert. Sendepause. Die Konvertierung zum Islam war noch für Artikel
     auf den dritten oder fünften Seiten gut gewesen. In dieser Zeit war ihre Autobiographie erschienen, ein lahmes, kurzes Stück
     Text, keine zwanzigtausend, sehr esoterisch angehauchte Wörter auf zweihundert Seiten gedehnt, ergänzt um Hochglanzbilder
     aus der Modelzeit – ein Megaflop, da das einzige Thema, das alle interessierte, ihre Sexsucht, ausgespart wurde. Die wenigen
     Exemplare, die von der weitgehend makulierten Erstauflage übriggeblieben waren, hatten inzwischen allerdings hohen Sammlerwert.
     Danach hatte mir irgendwer erzählt, dass Medsger auch dem Islam abgeschworen hatte, um stattdessen auf einem Homeshopping-Kanal
     eine eigene Kosmetikserie zu promoten, die wenig Absatz fand. Das war vier oder fünf Jahre her. Erst ihre Heirat mit Heino
     Sitz, meinem Chef, brachte sie Anfang des Jahres wieder in die Schlagzeilen zurück. Wochenlang herrschte entspannte, fast
     ausgelassene Stimmung in der Redaktion, weil Sitz auf Wolke zweiundzwanzig durch die Räume schwebte und Dinge abnickte, die
     vorher zu ambulant vollstreckten Todesurteilen geführt hätten. Als ich sie jetzt in ganzer Pracht vor mir sah, verstand ich
     das. Eine solche Frau für sich zu gewinnen, mentale Kompetenz hin oder her, das kam einem Gottesbeweis gleich.
    »Hallo, ich bin Nikolas«, nuschelte ich idiotisch.
    |13| »Das weiß ich inzwischen«, kam aus ihrem Mund, den zu küssen ich in diesem Augenblick für die Vollendung meines Daseinszwecks
     hielt. Ich griff, ohne darüber nachzudenken, nach einem Glas Schampus und kippte es in einem Zug runter. Was auch immer mich
     jetzt steuerte, es hatte seine eigene Stromversorgung. Ich hätte meinen Kopf auch unter dem Arm tragen können. Alle Regulative
     waren in Betriebsferien. Vertrackt war, dass ich das
wusste
, aber nichts dagegen tun konnte. Mein im sprichwörtlichen Sinn stillstehender Verstand beschränkte sich auf Beobachtung,
     und er amüsierte sich nicht einmal dabei.
    »Sie scheinen hier der einzige Mann unter vierzig zu sein«, erklärte sie mit einem Strahlen, das keine Fragen offenließ. Vielleicht
     wusste sie nicht, was sie mir antat, vielleicht aber tat sie es absichtlich. Sie gönnte mir noch sekundenlang dieses Lächeln,
     das die neben ihr den Messias gebärende Jungfrau Maria zu einer Bordsteinschwalbe degradiert hätte. »Was tun Sie für meinen
     Mann?«
    »Champagner ausschenken«, murmelte ich, grinste schief und hielt mich für schlagfertig. Hinter Marejke Medsger wartete ein
     Dutzend Gäste auf Schaumweinnachschub, aber dort hätte auch Beelzebub oder der Papst im Bikini stehen können, meine Wahrnehmung
     war

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