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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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seiner Ausschweifungen einen ganzen Stapel Abmahnungen im Schreibtisch hortete,
     aber aus mir unbekannten Gründen einfach nicht gefeuert wurde.
    Der Chefredakteur nickte. »So kommen wir nicht weiter.«
    Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, wovon ich zugegebenermaßen nicht viel besaß. Seit den Ereignissen bei Sitz’ Empfang vor
     zwei Monaten lebte ich in permanenter Panik davor, von ihm als Nebenbuhler enttarnt und mindestens entlassen, sehr viel wahrscheinlicher
     aber zu Tode gefoltert und anschließend kleingehackt an die Tauben verfüttert zu werden. Marejke Medsger war ich nach dem
     Beinahe-Vorfall nur ein einziges Mal begegnet; wir waren fast aufeinandergeprallt, vor dem Büro ihres Gatten. Sie hatte merkwürdig
     gegrinst und geschwiegen, aber ich war sicher, dass die anzüglichen Nachrichten, die ich seit acht Wochen täglich von einem
     Freemail-Account bekam, von ihr stammten. Vermutlich beleidigte es ihre Jägerinnenseele, dass ich mich ihr verweigert hatte.
     Jedenfalls schien mir das die plausibelste Erklärung für den Mailalias »toilettensex« zu sein.
    Ich hüstelte, Sitz wandte sich mir zu. »Allerdings sind die Leute von den Tests im Internet inzwischen auch genervt«, erklärte
     ich tapfer. »Die Veranstalter schreiben selbst gefälschte Berichte, so dass kaum noch Verlass auf die Bewertungen ist. Gerade
     im Low-Cost-Bereich klafft eine enorme Lücke zwischen Information und Realität. Wir sollten uns wieder mehr um diese Klientel
     kümmern. Immer nur Berichte über sündhaft teure Reisen und exklusive Ziele kosten uns langfristig Leser.«
    |21| Während ich über meinen eigenen Mut verblüfft war, schließlich war ich nicht nur derjenige, der die Frau des Chefs beinahe
     gevögelt hatte, sondern in der Redaktion für die Rätselseite, die Cartoons, das Gewinnspiel und die Leserbriefe zuständig,
     herrschte Ruhe. Dann nickte Heino Sitz langsam. Eigentlich hatte ich nur wiedergegeben, was mein bester Freund Ingo vor ein
     paar Tagen beim Feierabendbier vorgeschlagen hatte.
    »Interessanter Gedanke«, sagte Sitz. »Wir könnten jemanden losschicken, der sich nur Pauschalangebote anschaut, vier, vielleicht
     sogar nur drei Sterne und weniger. Anonym. Und darüber berichtet. Jeweils eine Woche, mit allem Drum und Dran.«
    Das darauffolgende Schweigen war von deutlichem Unbehagen gekennzeichnet. Mit Ausnahme des Verlagsinhabers, der sich seinen
     Chefredakteursstatus »zum Ausgleich«, wie er es nannte, gönnte und der nachdenklich in die Runde sah und dabei Kaffee schlürfte,
     mussten meine anderen elf Kollegen in diesem Moment unbedingt die Unterlagen sortieren, die vor ihnen lagen, die Schuhe darauf
     prüfen, ob die Senkel ordentlich geschnürt waren, oder die Anzahl der furnierten Deckenplatten ermitteln. Diejenigen von ihnen,
     die für das Magazin auf Reisen gingen, fuhren zu hochwertigen Zielen, nach Mauritius, auf die Seychellen, auf die Malediven,
     in die Karibik, auf edle Kreuzfahrten und so weiter. Wenn Jedermann-Ziele dabei waren, dann ging es immer in Fünf-Sterne-Häuser
     und -Anlagen – oder in noch höherwertige, sofern verfügbar. Keiner der Damen und Herren Reisejournalisten wollte mit Krethi
     und Plethi am Abendbuffet anstehen oder sich morgens um die Liegeplätze am Pool prügeln. Unsere Fotografen schossen Postkartenbilder
     und keine von verschimmelten Touristenbunkern.
    Unter dem Tisch traf mich ein Fuß, ich sah auf und verkniff mir lautstarken Protest. Nina Blume funkelte mich an und formte
     stumm das Wort »Arschloch« mit den Lippen. Ich grinste. Uns beiden war klar, dass sie es sein würde, die sich auf die Fährte
     der Neckermänner begeben müsste. Dabei verließ sie die Redaktion |22| so gut wie nie. Ihre Flugangst war das geringere Problem. Das größere lag unterm Konferenztisch, hieß bezeichnenderweise »Bimbo«
     und war Nina Blumes verzogener schwarzer Kleinpudel. Sie hatte den Hund zunächst »Heino« genannt und sich einen Spaß daraus
     gemacht, den Befehl »Heino, sitz!« möglichst oft und laut zu verwenden, bis eines Tages ein hochroter Chefredakteur aus seinem
     Büro gerannt gekommen war und gebrüllt hatte: »Wenn diese Misttöle nicht sofort einen anderen Namen bekommt, knall ich sie
     ab!« Nina tat nichts ohne diesen Hund, wirklich nichts.
    »Ist das ein begeistertes Schweigen?«, fragte unser Chefredakteur schließlich, als alle Deckenplatten gezählt und die Unterlagen
     dreimal umsortiert waren. Er räusperte sich, zog die

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