Pausen tun uns gar nicht gut
mir freundlich seine Hand. Er ist
tatsächlich der erste Pilger aus Sachsen-Anhalt, dem ich auf dem Camino
begegne. Die beiden haben sich offensichtlich viel zu erzählen, denn so
plötzlich wie sie aufgetaucht sind, sind sie auch wieder verschwunden. Heidi,
die sich immer mal wieder blicken lässt, schwärmt von den schicken Modehäusern
und Boutiquen Leóns und das sie sich gar nicht satt sehen könne.
Ihre Füße tun ihr nicht im Geringsten weh, und so empfindet sie den heutigen
Tag als ersten wirklichen Urlaubstag.
Ich komme mit einem Berliner
Pärchen ins Gespräch und quatsche mich dabei richtig fest. Die beiden erzählen
von sich, dass sie seit kurzer Zeit ihre Rente genießen und sich von ihrem
Restaurant im Herzen Berlins nach einem langen Arbeitsleben getrennt hätten.
Zwei Söhne haben sie großgezogen, die aus ihnen inzwischen Großeltern werden
ließen. Der eine Sohn wohnt mit seiner Familie ganz in ihrer Nähe, der andere
lebt mit einer Iranerin in Kanada.
Sie scheinen darüber nicht sehr
glücklich, weil sie nur selten Kontakt zu ihrem Sohn nebst Familie in Übersee
haben. Zwischendurch trudelt Heidi mit einer Einkaufstüte ein und hat sich
tatsächlich Sandaletten gekauft. Sie müsse sich belohnen, ist Ihre Erklärung
und löst damit in mir Kopfschütteln aus. Warum tun Frauen so etwas? Ein Mann
kauft Schuhe, wenn er welche braucht, zweckmäßig halt. Eine Frau kann immer
Schuhe kaufen: „Hach, die hab ich schon immer gesucht, die gab’s in meiner
Größe und sie waren reduziert“. Ich glaube, Frauen kaufen Schuhe, weil Schuhe
unabhängig von Figurproblemen sind. Man sieht nicht fett darin aus, selbst wenn
man seinen Körper nicht mag. Schuhe passen immer, und Fettpolster in den Hüften
werden durch Schuhe nicht extra betont. Wenn meine Frau jetzt ehrlich wäre, hat
sie sich durch den Kauf der Sandaletten sogar noch bestraft. Denn das Gewicht
ihres Rucksacks hat sich dementsprechend erhöht und zum Zeigen ihrer
Errungenschaft wird sie auf dieser Reise kaum Gelegenheit finden. Aber ich
gönne ihr die Belohnung. Zu viert suchen wir eine Gaststätte in der Innenstadt Leóns und finden eine versteckte Bar, in der wir unser Pilgermenü zu uns nehmen
können. Mit ihrer lebenslangen Restauranterfahrung erwähnen die Berliner, was
ihnen besonders auffällt und worauf sie achten, wenn sie ein Lokal betreten.
Darum dauert es etwas länger, ehe wir fündig werden. Wir sind gerade beim
Essen, da betreten Brigitte und Richard aus dem Allgäu die Gaststube. Wir
hatten uns in Tardajos beim Abendessen kennengelernt und uns über
Religionen unterhalten. Sie sind in Burgos gestartet und haben
einen Teil mit dem Zug zurück gelegt. Es wird wieder lustig, weil Richard mit
einem sehr starken Dialekt spricht und behauptet, er wäre zweisprachig
aufgewachsen. Allgäuisch und Hochdeutsch hätte er gelernt, beteuert er. Darauf
frage ich Richard, warum er im Fach Hochdeutsch so oft gefehlt habe?
Für hochdeutsche Ohren hört
sich der Allgäuer Dialekt etwas unverschämt an, doch so ist das eigentlich
nicht gemeint. Wenn man die Leute erst mal reden lässt, sind sie sehr nett,
auch wenn es sich manchmal so anhört, als werde man beschimpft.
So heißt „Wie bitte“ „Hä“ und
„Er hat immer nur Glück“ heißt soviel wie „ Dem lauft d’Scheiße au da Buggl
nauf”.
Richard erzählt gekonnt
Preußenwitze und obwohl er uns damit meint, krümmen wir uns vor Lachen.
Es ist wieder ein toller Abend
und gegen 23:00 Uhr liegen wir in unserem Bett. In der Pension ist es so
hellhörig, dass man jedes Wort aus den Nachbarzimmer wahrnimmt. Ständig höre
ich einen Mann husten und werde in der Nacht einige Male davon wach.
11.06.2009
León — Hospital de Órbigo 37 km
Um 6:45 Uhr verlassen wir unser
Zimmer und atmen angenehme Luft. Es ist längst nicht mehr so kalt wie in den
voran gegangenen Tagen. León ist zu dieser frühen Stunde noch
menschenleer und verlassen.
Auf unserem Weg kommen wir an
der Real Basílica de San Isidoro vorbei, die Kirche gilt als Meisterwerk
romanischer Baukunst. Weiter geht es den kilometerlangen sehr gut
ausgezeichneten Weg quer durch León. Wir brauchen eine halbe
Ewigkeit, um die Stadt zu verlassen. Unendlich erscheint uns der Weg durch die
Strassen an dem Häuserdschungel vorbei. Fast am Stadtausgang finden wir noch
eine Bar, die um diese Zeit geöffnet ist und noch dazu ein Frühstück anbietet.
Gestärkt entscheiden wir uns kurz hinter der Stadt für den Alternativweg,
Weitere Kostenlose Bücher