Pausen tun uns gar nicht gut
der
zwar 3,5 km länger, aber dafür abseits der Autobahn liegt.
Sofort umgibt uns die typische
Vegetation, die ein buntes Bild abgibt, Zwergstrauchheiden, Lavendel und
Ginster säumen den Weg. Die kleinen Dörfer erfreuen uns mit ihrer
Ursprünglichkeit. Auf den Absätzen der abgestuften Glockentürme befindet sich
eine Unzahl von Storchennestern, die mit Jungstörchen bewohnt sind.
In Chozas de Abajo machen wir an einer Bar eine kurze Rast und lernen Anna aus dem mecklenburgischen Güstrow kennen. Sie erzählt uns, dass sie sich von ihrer
Freundin, die aus Hamburg stammt, vor ein paar Tagen getrennt habe und seitdem
allein unterwegs ist. Als Heidi fragt, ob die Freundin beim Roten Kreuz
beschäftigt ist, lächelt sie als Antwort ein leises „Ja“. Wir beschließen
unsere Tour zu dritt fortzusetzen und machen uns auf den Weg. Anna, der man ihr
Alter von 63 Jahren nicht ansieht, erzählt uns eine rührende Geschichte. Sie
wurde kurz nach der Geburt von ihrem Zwillingsbruder getrennt und wuchs in Güstrow auf. Ihr Bruder geriet in eine Adoptivfamilie, die es in den Westen
Deutschlands zog und später nach Argentinien. Ihr Zuhause blieb Güstrow und später eben die DDR. Hier ging sie zur Schule und erlernte den Beruf einer
Kinderkrankenschwester. Einen heiratswilligen Mann zu finden, hätte sich nicht
ergeben, sagt sie und über Kinder ohne eine feste Bindung hätte sie nie
nachgedacht.
Sie fühlte sich ihr ganzes
Leben zur Kirche hingezogen und war dort wunderbar aufgehoben. Erst nach dem
Fall der Mauer gab es berechtigte Hoffnung, ihren Bruder zu finden. Von ihren
Nichten ermutigt und unterstützt suchten sie gemeinsam im Internet nach ihm und
fanden einige passende Telefonnummern. Die erste Nummer, die Anna wählte,
sollte der Volltreffer sein. Eine Frauenstimme am anderen Ende der Leitung,
ließ Annas Stimme ein wenig stocken. Doch als sie die Frau darum bat, nicht
gleich wieder aufzulegen, auch wenn die Geschichte, die sie ihr gleich erzählen
werde, etwas abenteuerlich klinge, verging ihre Aufregung merklich. Und so
erzählt sie dieser fremden Frau ihre Lebensgeschichte und nennt den Geburtstag
ihres Bruders. Nach einer Weile unterbricht die Frau das Gespräch und holt
ihren Mann ans Telefon. Wieder erzählt Anna ihre Geschichte geduldig von vorn. Der
Mann am anderen Ende der Leitung, bittet Anna darum, das Gespräch zu
unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Er müsse über das
Gehörte nachdenken. Schon nach einer halben Stunde klingelt Annas Telefon.
Ihrem Bruder sei in dreißig Minuten klar geworden, was das Gespräch für ihn
bedeutet. Sie unterhalten sich noch unendlich lange miteinander und viele
Tränen müssen an diesem Abend trocknen. Sie erfährt, dass seine Heimat seit
vielen Jahren das Saarland ist und dass auch er schon einiges unternommen hat,
um seine Wurzeln aufzuspüren. Vierzehn Tage später besucht er sie, mit der Bahn
angereist, in Güstrow. Schon beim Verlassen des Zuges hätte sie
ihn sofort als ihren Bruder erkannt, und während sie so am Erzählen ist, sieht
man ihr die Freude darüber immer noch an.
In Villar de Mazarife kaufen wir in einem Dorfladen Obst und Mandeln und legen eine kurze Pause ein.
Es ist inzwischen drückend heiß, und Anna dauert der Aufenthalt zu lange. Wir
haben noch über 15 km bis Hospital de Órbigo vor uns. Die heutige
Etappe zeigt sich wieder von ihrer erbarmungslos brutalen Seite. Nach weiteren
10 km in praller Sonne erreichen wir Villarente, die Motivation
hat ihren Tiefpunkt erreicht. Die Straße flimmert im gleißendem Sonnenlicht und
unter unseren Schuhen löst sich der Bitumen von der Straße. Wir pausieren auf
einer Bank, unsere Wasservorräte sind vollständig aufgebraucht. Selbst das
gegenseitige Massieren unserer Füße ist zu anstrengend, um als Wohltat
empfunden zu werden. Zu allem Überfluss wedelt ein herrenloser Mischlingshund
mit seinem Schwanz um unsere Bank. Er sieht so abgemagert aus, dass Heidi in
Tränen ausbricht und die Gattung Mensch, die Tieren so etwas antut, als
Scheusal verflucht. Alles Essbare aus unserem Rucksack verschlingt dieses Geschöpf
ohne zu mäkeln. Unsere daheim gebliebene verwöhnte Hauskatze würde sich bei
diesem Angebot schütteln vor Entsetzen. Kurz hinter dem Dorf überqueren wir
eine Eisenbahntrasse, und nach 3 km nervtötender Schotterpiste erreichen wir
eine Brücke, die über eine Autobahn führt.
Ein kurzes Stück dahinter
treffen wir im Zielort des heutigen Tages ein.
Über die
Weitere Kostenlose Bücher