Pausen tun uns gar nicht gut
nächste Stunde zeigen. Ich ziehe
es dann auch vor, ein Nickerchen zu machen. Heidi und Hannelore besorgen in der
Zeit Rotwein und Oliven aus einem Krämerladen um die Ecke. Es wird unterhaltsam
und lustig, auch Wolfgang und Angelika finden sich ein. Wolfgang, der in kurzen
Sommersachen den Raum betritt, wirkt durchgefroren. Kein Wunder, denn seine
warmen Sachen hat er ja in Burgos nach Hause geschickt, nachdem
ihm Heidi mehrere Tage im Ohr lag, seine Jeansklamotten wären zu schwer. Nicht
ums Verrecken würde er sich neue Sachen zulegen, behauptet er unzweifelhaft und
gibt sich Mühe, hartgesotten rüberzukommen.
Die Herbergsmutter erscheint
und macht einen so ärmlichen Eindruck, dass man gewillt ist, ihr Geld für sie
persönlich in den verschlissenen Mantel zu stecken. In ihr Gesicht haben sich
tiefe Falten gegraben und erzählen von einem Leben voller Entbehrungen, das
Mitleid in mir weckt.
Später beim Abendbrot reden wir
wieder einmal über den Sinn des Pilgerns. Mit am Tisch, Brigitte aus Genf und
eine Pilgerin aus dem bayrischen Hof, die ihren esoterischen
Gedanken freien Lauf lässt und damit vor allem Angelika gründlich auf die
Nerven geht. Zu allem Überfluss fragt Brigitte, warum wir zu zweit pilgern und
erwähnt provokativ, das Paare sich über kurz oder lang in die Haare kriegen,
weil kein Mensch diese permanente Enge erträgt.
Mein Schweigen bringt wiederum
Heidi in Rage und selbst Angelika schlägt sich auf die Seite meiner Frau. Liegt
diese gereizte Stimmung am Wetter oder schlägt die eben noch vorhergesagte
permanente Enge durch? Wir einigen uns auf die Vielfältigkeit der Gründe und
Entscheidungen für diesen anstrengenden Weg und konzentrieren uns wieder mehr
aufs Essen.
Ensalada mixta, ein Mixsalat
zur Vorspeise, in den ich mich reinsetzen könnte, gehört inzwischen wie
selbstverständlich auf meinen täglichen Speiseplan. Mit Calamaris als
Hauptgericht habe ich mich inzwischen derart angefreundet, dass ich auf jeder
Speisekarte nach nichts anderem mehr suche.
Am Nachbartisch sitzen
auffallend junge Leute, die hier auf dem Camino eher selten anzutreffen sind.
Ein junges Mädchen, gerade erst 18 Jahre alt, hat sich allein auf diesen Weg
gemacht. Sie war für ein Jahr Au Pair in diesem Land. Für sie bedeutet der
Camino ihr persönlicher Abschied von Spanien.
09.06.2009
Calzadilla
de los Hermanillos — Puente de Villarente 31 km
Nach einem guten Frühstück in
der Bar vom Vorabend brechen wir gegen 7:45 Uhr auf. Wind und Regen haben sich
Gott sei Dank verflüchtigt, und wir pilgern eine 18 km lange Strecke einsam vor
uns hin. An einer Gabelung zeigt ein Hinweisschild eine Umleitung, die wir stur
ignorieren. Wir halten uns an den Reiseführer und der lässt uns geradeaus auf
grasbewachsenem Geröll parallel zu einer Eisenbahnlinie schlendern. Er
beschreibt uns jede Brücke, die wir überqueren, und gibt uns Sicherheit.
Plötzlich aber nicht völlig
unerwartet flattern vor uns rotweiße Kunststoffbänder über den gesamten Weg.
Umkehren ist indiskutabel und daher entscheiden wir uns für „Augen zu und
durch“. Kurz dahinter taucht ein neu gebauter breiter Kanal auf, der den
Pilgerweg einfach zerschneidet. Der Ort, in den wir wollen, liegt auf der
anderen Seite des Kanals. Es bleibt uns nicht anderes über, als durch den Kanal
hindurchzuwaten.
Wir erreichen Reliegos um die Mittagszeit und machen vor einem Café eine ausgedehnte Pause. Die jungen
Leute von gestern Abend und die „Tante“ vom Roten Kreuz aus Sahagún, treffen wenig später ein.
Reliegos, diesen kleinen Ort, lassen wir
hinter uns, um auf einer schnurgeraden Strecke nach Mansilla de las Mulas zu gelangen. Der Weg ist leicht zu gehen, es gibt nur wenig Höhenunterschiede.
Hinter Mansilla de las Mulas gehen wir über eine mittelalterliche
Brücke, die den Fluss Esla überquert und dann führt der Weg immer parallel zur
Straße nach Puente Villarente. In diesem Ort verläuft der Weg
wieder über eine uralte, immer nach einem Hochwasser reparierte Brücke über den
Río Porma. Jede durch das Hochwasser bedingte Reparatur erkennt man daran, dass
die Brückenbögen alle ungleichmäßig groß sind und so keine architektonische
Linie erkennbar ist.
Uns erwartet in diesem Ort eine
wunderschöne privat geführte Herberge. Es ist alles sehr modern eingerichtet,
die Sanitäranlagen sind sehr gepflegt und die Betten so gut wie neu. Der
Aufenthaltsraum besitzt einen Kamin und selbst Waschmaschinen und Trockner
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