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Pausen tun uns gar nicht gut

Pausen tun uns gar nicht gut

Titel: Pausen tun uns gar nicht gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bennecke,Jürgen
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Eine aufmerksame Frau am Nebentisch versorgt Heidi mit Blasenpflaster
und homöopathischen Kügelchen. Sie komme aus Cuxhaven und erwähnt
sofort, dass ihr Freund, den ich gerade in ein Gespräch verwickle, Holländer
sei. Sie wandern den Camino nicht zum ersten Mal und sind auf solche Wehwehchen
vorbereitet. Wir gehen ein Stück gemeinsam, bis kurz hinter der Stadt. Ihr
Tempo ist so hoch, dass wir sie bitten, ohne uns weiter zu wandern. Der Tag
scheint die Höchsttemperatur von gestern noch toppen zu wollen. Eine
Bullenhitze knallt auf unser Baseballcape und macht den ehrwürdigen Weg zum Wallfahrtsdrama.
    Woher kommt nur der Begriff
Bullenhitze? Vielleicht benutzt man Tiere, um etwas als unüberbietbar zu
bezeichnen. Man sagt ja auch „hundsgemein“ oder „schweineteuer“. Dann ist es jetzt
mit Sicherheit „elefantenheiß“, und das Pilgern fällt uns „saurierschwer“.

     
     
    Wir schaffen es bis El
Ganso und verschnaufen in einer originellen Bar, die direkt am
Jakobsweg liegt. Hier ist es angenehm und wir stärken uns mit Tortilla und
reichlich Getränken.
     

     
    Es sind noch mehr als 7 km bis Rabanal, allein der Gedanke an 7 km lässt mich gruseln. Wenn es nach „elefantenheiß“
noch eine Steigerung gibt, dann fehlt der nun folgenden Streckenphase genau
diese Bezeichnung. Ich bemerke Tränen in Heidis Augen und weiß mich selbst
nicht mehr zu motivieren. Ich kann nicht sagen, wie wir es geschafft haben,
aber irgendwie schleppen wir uns bis Rabanal del Camino. Gleich
am Ortseingang befindet sich eine Herberge, in der wir noch in einem
Zwölfbettzimmer Platz finden. Das Pilgerdinner wird uns nebenan serviert und
wir kommen aus dem Staunen nicht heraus, als wir erfahren, dass sich noch drei
Pilger aus Sachsen-Anhalt am Tisch befinden.
    Wir machen Witze über die
Kampagne der Landesregierung von Sachsen-Anhalt „Wir stehen früher auf“, die an
heimischen Autobahnen zu finden ist. Sie soll soviel bedeuten, wie „Wir stehen
früher auf, weil wir mehr schaffen wollen“. Ich finde den Werbespruch eher
peinlich, vielleicht bedeutet es, dass wir auch deshalb eher schlafen gehen.
Vermutlich verlassen gerade deshalb so viele junge Menschen unser Bundesland,
weil abends eben „Tote Hose“ ist.
    Am Tisch sitzt noch ein Mann
aus der Schweiz, der in Basel gestartet und jetzt seit 60 Tagen
unterwegs ist. Er hat bereits 1800 km zurückgelegt und wirkt sehr
durchtrainiert. Er hat schon etwas Heimweh und ist froh, wenn er in wenigen
Tagen Santiago de Compostela erreicht. Er habe viele Jahre als
Manager gearbeitet und erst nach einem Herzinfarkt die Endlichkeit des Lebens
erkannt. Ein Herzschrittmacher stimuliert seitdem seinen Herzschlag und überwacht
den lebenswichtigen Muskel. Das Radpilgerpaar aus Italien, die den Camino in
drei Wochen abfahren will, bereichert noch die Runde. Ein weiteres Ehepaar aus
der Nähe von Halle genießt ihren Ruhestand, sie sehen die
Pilgerei nur sportlich. Er hatte zu Anfang der Reise einen leichten
Schwächeanfall und habe ihn glänzend überstanden. Thomas aus Köthen ist sich sicher, dass er zum ersten und letzten Mal gepilgert ist. Er hält es
vor Schmerzen an manchen Tagen gar nicht aus und fährt oft ein Stück mit dem
Bus. Vorm Zubettgehen komm ich noch mit Marta, einer Slowakin, ins Gespräch.
Sie ist ein wahres Sprachgenie. Sie spricht sechs Sprachen perfekt und was die
deutsche Sprache betrifft nahezu akzentfrei.
     
     
     
    13.06.2009

Rabanal
del Camino — Ponferrada 32 km
     
    Wir stehen vor 6:00 Uhr auf und
packen draußen im Dunkeln unsere Sachen. Mit uns schnüren noch jede Menge
Mitpilger ihre Säcke. Heute geht es zum berühmten Cruz de Ferro und der liegt
in ca. 1500 m Höhe. Bis dahin geht es 7 km steil bergauf. Dort oben angekommen
bin ich etwas enttäuscht, ich hatte mir den Steinhaufen viel größer
vorgestellt. Auf dem Steinhaufen steht ein eisernes Kreuz auf einem etwa fünf
Meter hohen Eichenstamm. Es ist wohl die symbolträchtigste Station auf dem
gesamten Jakobsweg. Über Jahrhunderte brachten Pilger einen Stein aus ihrer
Heimat mit, um ihn hier abzulegen. Es ist ein symbolisches Zeichen für das
Loslassen innerer persönlicher Lasten. Jeder von uns beiden geht den Weg bis
zum Kreuz allein und legt seinen Stein zu den anderen. Nun werden auch unsere
Steine zu den Geschichten, die das Cruz de Ferro in Zukunft zu erzählen weiß,
beitragen. Hier oben liegen jede Menge Zeitungsannoncen von Verstorbenen und
beschriebene Steine. Auch den Stein von

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