Pausen tun uns gar nicht gut
Puente
la Reina ein Schnittpunkt von zwei Jakobswegen bildet. Hier trifft sich
die Nordroute über Oviedo mit dem Camino Francés. Diesem Umstand wurde in der
Hochzeit der Pilgerschaft durch vier große Pilgerherbergen Rechnung getragen.
In der noch recht
ursprünglichen Pulpería Exequiel gibt es eine galizische Spezialität. Was in
der Altmark die altmärkische Hochzeitssuppe, ist in Galizien der Pulpo. Dabei
handelt es sich um gekochte Krake mit Öl, Salz und Paprika. Rein optisch lässt
mir diese empfohlene Delikatesse alles andere als das Wasser Im Mund zusammen
laufen. Mit einer Schere werden diese gekochten Kraken direkt vor unseren Augen
zugeschnitten.
Michel, der Schweizer
Zollbeamte, hat sich hier auch als Gast niedergelassen und winkt uns zu sich.
Er lobt den Pulpo im Überschwang und lässt uns in echter Pilgermanier von
seinem Teller kosten. Wenn man den Gedanken an die Krake verdrängt, Ist es
durchaus schmackhaft. So bestellen auch wir uns eine große Portion schon allein
deshalb, weil mir Michel versichert, dass wir in Santiago bestimmt das Doppelte dafür bezahlen.
Gesättigt und ein wenig erholt
lassen wir auch Melide hinter uns. Wir durchstreifen
Eukalyptuswälder, die man überall in Galizien findet. Eukalyptus, früher nur in
Australien und Indonesien heimisch, wird heute in vielen Ländern Europas und
Südamerikas angepflanzt, in denen die ursprünglichen Wälder abgeholzt wurden.
Das Holz bringt gutes Geld beim Verkauf an Zellulosefabriken. Für die Umwelt
ist die Aufforstung durch Eukalyptusbäume eine Katastrophe. Denn das Laub des
Eukalyptus ist hart und braucht lange, eh der Verrottungsprozess einsetzt.
Darüber hinaus lässt der Baum den Grundwasserspiegel sinken und den Boden
austrocknen. Einheimischen Tieren bietet er keinen Lebensraum mehr, weil er
andere Baumarten aggressiv verdrängt. Zur weiteren Gefahr werden seine
hochbrennbaren Öle, die bei möglichen Waldbränden verheerende Schäden
anrichten. Die Europäische Union schuf Ausnahmegenehmigungen für die
Zellstoffindustrie, die diesen schnell wachsenden Baum in Papierrohmasse
umwandelt und subventionierte so unverfroren den Anbau dieser Monokultur. So
wird auch noch die industriemäßige Nutzung einer Baumart der Bevölkerung
ungeniert als Naturschutz verkauft.
Arzúa erreichen wir am Nachmittag
und beziehen in einer modernen und frisch renovierten Herberge unser
Nachtlager. Nach der Dusche und der üblichen Fußpflege erholen wir uns im
Zentrum der Stadt und treffen auf Rudi und Michel. Als Wolfgang und Angelika
eintrudeln, planen wir die restlichen Kilometer. Fast alle Pilger, mit denen
wir reden, wollen morgen bis Monte do Gozo, um dann am nächsten
Tag frisch und ausgeruht in Santiago einzuziehen.
Als Wolfgang die Vorzüge eines
abendlichen Einzuges aufzählt, guckt Heidi mich lächelnd an und weiß genau, was
ich denke.
19.06.2009
Arzúa — Santiago de Compostela 40 km
Es ist kurz vor 6:00 Uhr, wir
sind die ersten, die sich aus unserem Zimmer schleichen. Draußen ist es noch
dunkel, aber wir haben heute wieder viel vor. Es dauert nicht lange, und Rudi
holt uns mit seinen Riesenschritten ein. Er möchte bis zum Frühstück mit uns
gemeinsam gehen. Heidi weiß sofort, was das heißt, „Aber nicht in deinem
Tempo”, ist ihre Antwort, und Rudi fügt sich widerspruchslos dem Gesagten. Es
geht flott voran, sicher auch deswegen, weil sich Rudi nicht an Heidi anpasst,
sondern mit der Zeit ist es wohl eher umgekehrt. Wir erreichen eine kleine Bar,
die auch als Verkaufsstelle für Einheimische dient, und sind die ersten Gäste
des Tages. Nach dem gemeinsamen Frühstück eilt uns Rudi voraus, dafür treffen
wir wenig später auf Michel, den Zoll-Schweizer und laufen mit ihm gemeinsam
bis zum Flughafengelände Labacolla.
Die Eukalyptuswälder, denen man
umso öfter begegnet, je mehr man sich Santiago nähert, werden
nicht vertrauter durch die Häufung ihrer Präsenz. Eher nimmt die Abneigung zu,
wenn der ungehinderte Blick durch die lichten Reihen der hohen Stämme einen
Wald ohne Fliegengesumm und Vogelgezwitscher ermöglicht.
Wir erreichen Monte do
Gozo am frühen Nachmittag.
Das ist also der Berg der
Freude, irgendwie hatten wir uns den anders vorgestellt. Wir haben zwar einen
Blick auf Santiago, aber doch nicht den ersehnten. Eine moderne
Universitätsstadt liegt zu unseren Füßen. In den Reiseführern steht doch aber,
dass sich die Pilger in allen Zeiten vor Glückseligkeit niedergekniet
Weitere Kostenlose Bücher