Paxson, Diana L.
im stumpfbraunen Schlamm auf seiner Schulter ausbreiten – ein roter Fleck, der durch den Schmutz quoll und über das Bein zu Boden troff.
Ein Murmeln erhob sich in der Menge ringsum, und verstummte. Der Morholt öffnete die Faust, die er um die Mähne verkrampft hatte, dann schaute er sich um, ehe er vorsichtig das linke Bein über den Hals des Pferdes hob und steif zu Boden glitt. Jemand brabbelte ein paar törichte, mitfühlende Worte – jeder könne einmal stürzen … das Pferd würde sich wieder erholen … vielleicht nächstes Jahr…
Der Morholt achtete seiner genausowenig wie auf den Stallknecht, der das Pferd wegführen wollte. Ein wenig hinkend griff er selbst nach dem Zügel und redete beruhigend auf das Tier ein, bis es zwei Schritte machte. Dann, als sich der Fuchs nicht mehr vom Fleck rühren wollte, drehte er sich so um, daß seine linke Seite dem König zugewandt war. Das Murmeln schwoll an und verstummte, während die beiden Männer einander anblickten. Dann warf der Morholt den Kopf zurück und rief – und ich konnte sehen, wie die Muskeln seiner Brust anschwollen –:
»Gerechtigkeit! Ich rufe den Hochkönig um Gerechtigkeit an!«
König Diarmait hatte sich nicht bewegt; jedes Haar seines Bartes schien wie aus Stein gemeißelt. Es war der Ard-Filidh, Amergin MacAlam, der sich über die Brüstung lehnte. Der goldene Reif des Erzpoeten glänzte auf seiner Stirn, und sein weißes Gewand bauschte sich im Wind.
»So sprecht denn.« Die tiefe Stimme war nicht laut, doch überall zu hören. Jene, die sich unterhielten, unterbrachen ihre Gespräche, bis aller Augen, alle Aufmerksamkeit auf die Männer vor dem Thron gerichtet waren. »Welcher Art ist das Vergehen gegen Euch, und welche Gerechtigkeit fordert Ihr?«
Der Morholt tat einen weiteren Schritt vorwärts und hob eine Hand wie zum Schwur. »›Der Mißbrauch von Pferden im Galopp ist Reitern während des Rennens untersagt…‹«, zitierte er. »So schreibt es das Gesetz des Großen Festes vor, ist es nicht so? Ich prangere deshalb ein Vergehen an, das absichtliche Anrempeln meines Pferdes, wodurch es an der Furt stürzte! Und dieses Vergehens hat sich Curnan von Connachta schuldig gemacht!«
Curnan hatte inzwischen abgesessen. Er schlenderte auf den Morholt zu, das Gesicht zum spöttischen Lächeln verzogen.
»Und was ist die Strafe für schlechtes Reiten?« höhnte der junge Mann. »Vor Eurem edlen Pferd solltet Ihr Euch entschuldigen, daß Ihr es zu rasch durch das Wasser getrieben habt, ohne auf den Boden zu achten.«
Ich vernahm ein drohendes Knurren, und mir war nicht sogleich bewußt, daß es aus der Kehle des Morholt drang. Es entging mir jedoch nicht, daß eine Ader auf seiner Schläfe zu Pulsieren begann. So fest klammerte ich mich an die Tribünenbrüstung, daß sich die Fingerknöchel weiß unter der Haut abhoben, da ich mich fragte, ob die Ader platzen und sich schwarzes Blut über seinen Kopf ergießen würde, wie es bei Cuchulain der Fall gewesen war, wenn ihn der Kampfeszorn packte, wie die Poeten erzählten. Allein sein Blick war so erschreckend, daß die Männer vor dem Morholt zurückwichen, und nur noch das geschlagene, zitternde Pferd neben ihm stand, dem nun schäumender Schweiß, so weiß wie Schnee, austrat.
»Ich war Sieger dieses Rennens, als du noch an der Brust deiner Mutter lagst, Bürschchen – willst du mir sagen, wie man ein Pferd durch eine Furt reitet?« Des Morholts Stimme brach rasselnd das flüchtige Schweigen. »Und ich verlange Rechtsprechung über dich!«
»Lügner bekommen ihre Rechtsprechung in der Hölle, alter Mann!« sagte Curnan lachend und drehte sich um.
Das Knurren in des Morholts Kehle, das nie ganz verstummt war, wurde zu einem Brüllen, als er sprang.
Die zwei Leiber wurden in ihrer Bewegung verschwommen, und jegliche Geräusche, die sie möglicherweise verursachten, gingen in dem Empörungsschrei der Menge unter. Der Morholt hatte die Kraft eines Bären, doch der Prinz war wie ein Aal in seinem Griff. Er hakte ein Bein um das des Älteren und hätte ihn fast zu Fall gebracht. Einen Augenblick schwankten beide, da drehte sich der Morholt, und plötzlich verließen Curnans Füße den Boden, als er über die Hüfte seines Gegners geschlungen und sein Kopf unter den Arm des Älteren geklemmt wurde.
Ein allgemeines Stöhnen erklang von der Menge, als der Morholt den klassischen Ringerwurf begann. Doch in dem Augenblick, da der Morholt selbst zu fallen drohte, machte Curnan sich
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